Ein historisches Schiff für das Lausitzer Seenland
Von Anja Wallner
Wenn die Segeljacht „Seabreeze“ sprechen könnte, dann wäre ein Besuch bei ihr wie ein bewegender Ausflug in die Geschichte. Der rund 13 Meter lange Zweimaster wurde 1937 in Hamburg als Tenderboot gebaut – für die „Wilhelm Gustloff“, das Kreuzfahrtschiff der nationalsozialistischen Organisation Kraft durch Freude (KdF), das 1945 vor der Küste Pommerns durch ein sowjetisches U-Boot versenkt wurde. Mehr als 9 000 Menschen sollen damals ums Leben gekommen sein. Die„Seabreeze“ diente – so ist es gutachterlich bestätigt – als eines von drei Versorgungsschiffen der „Gustloff“. Jetzt ist sie wieder aufgetaucht und steht in – Hoyerswerda. Sozusagen auf „Trockendock“ in einer Halle der Verkehrsgesellschaft VGH im Industriegelände. Dort bekommt die 67-jährige Dame eine Frischzellenkur, denn möglichst noch in diesem Jahr soll die Jacht wieder segeln, als Schul- und Eventschiff im Lausitzer Seenland.
Der Zeißiger Unternehmer Dirk Rolka und seine Mitstreiter vom eigens gegründeten Förderverein Segelschulschiff Seabreeze haben das Boot nach Hoyerswerda geholt. Freilich war es nicht die Absicht, so ein geschichtsträchtiges Boot zu erstehen. „Wir haben ein besonderes Schiff gesucht, mit historischem Charakter, das von der Größe her transportabel ist und im Seenland schwimmen kann“, sagt Dirk Rolka. Ein Boot, das bestens in Schuss ist, wäre unbezahlbar gewesen. Also stieß man über Kontakte aus der Seglerszene auf die restaurierungsbedürftige „Seabreeze“, die damals allerdings noch einen anderen Namen trug. Für Autohaus-Inhaber Dirk Rolka, der auch im Event- und Unterhaltungsbereich tätig ist, erfüllte sich damit ein Traum, den er zweieinhalb Jahre verfolgt hatte. Er will das Segelschiff für soziale Kinder- und Jugendprojekte nutzen. Vorstellbar sind etwa „Piratentouren“ auf der Suche nach dem „Schatz des Seenlandes“, Landgangsthementouren, natürlich das Segeln selbst mit dem Lernen der Handgriffe an Bord, das Anwenden von Physik… Und natürlich soll auch die Geschichte des Schiffs nicht außer Acht gelassen werden. Dirk Rolka schwebt eine Zusammenarbeit mit dem Museum Lager Elsterhorst vor. Federführend in der Organisation wird hier Frank Hirche sein, als Vorsitzender des Landesverbandes der Vertriebenen und Spätaussiedler in Sachsen/Schlesische Lausitz.
„Alle sagen immer nur: Wir müssten mal… , aber keiner macht etwas. Ich will etwas bewegen“, erklärt der CDU-Stadtrat und passionierte Segler seine Motivation. Carsten Schwabel, ein Freund aus dem österreichischen Graz, war selbst jahrelang mit einem historischen Eventschiff unterwegs und lieferte praktisch die Idee für das „Seabreeze“-Konzept. Bei Johannes Beermann, dem Chef der Sächsischen Staatskanzlei, rannte Dirk Rolka mit seinem Vorhaben offene Türen ein. Er übernahm dafür die Schirmherrschaft und sicherte ebenso Hilfe zu wie der CDU-Landtagsabgeordnete Frank Hirche und Hoyerswerdas Bürgermeister Thomas Delling (SPD), die beide dem Förderverein angehören.
Zu fördern gibt es jede Menge, denn als die „Seabreeze“ 2012 in Hoyerswerda „anlegte“, kam sie längst nicht so flott daher wie jetzt. Die Maschinen waren kaputt, der Rumpf und das Innere arg ramponiert. Das Schiff war nach dem Krieg als Fischkutter bis Anfang der 80er Jahre im Einsatz und wurde danach außer Dienst genommen. Wenige Jahre später erwarb es ein Großindustrieller und baute es zur Privatjacht um. Der übergab das Boot schließlich 1992 einer Kinderstiftung in Schleswig-Holstein. Nochmals umgebaut, war der Segler für ein Kinderheim sowie bedürftige Kinder im Einsatz. Nach Einstellung des Projekts ging das Boot im Jahr 2000 wieder in private Hand. Zuletzt lag die „Seabreeze“ im Besitz einer deutsch-dänischen Familie in Malta, wurde von dort nach Dänemark und schließlich per Trailer nach Hoyerswerda gebracht. „Ein Konsortium von Bekloppten“, meint Dirk Rolka schmunzelnd über die aktuellen Projekt-Enthusiasten, haben das Geld für den Kauf vorgestreckt.
Inzwischen leuchtet der Stahlrumpf des Schiffes weiß und knallblau. Ein neues Bugstrahlruder zum besseren Manövrieren und Anlegen wurde eingebaut, der Rumpf sandgestrahlt, Löcher verschweißt. „Schleifen, schleifen, schleifen“, beschreibt Dirk Rolka die derzeit anfallenden Holzarbeiten an Deck. Außerdem sind die nautischen Systeme zu über- und die Masten aufzuarbeiten… Dirk Rolkas Mitarbeiter sind mit den Arbeiten beschäftigt; Helfer sind auch über eine beantragte Fördermaßnahme in Aussicht. Dirk Rolka ist dankbar, dass sein Projekt viele Unterstützer hat. Firmen, die ihm beim Material entgegengekommen sind, die etwas gesponsort haben. Die Versorgungsbetriebe (VBH) machten durch finanzielle Hilfe vieles erst möglich. Die VGH hat die Halle kostenlos zur Verfügung gestellt. Ein Holzkünstler aus Cottbus hat ein Bugwappen geschnitzt. Weitere Unterstützer sind natürlich gern gesehen.
Auch andere wichtige Dinge sind noch zu klären. Wer stellt die Mannschaft, steht am Steuerrad? Wo kann die „Seabreeze“ liegen? Ob das Schulschiff-Projekt „langfristig etwas wird“ – die Macher wissen es nicht. Dennoch: „Ziel ist: 2014 kommt sie ins Wasser“, betont Dirk Rolka. „Ich will sie schwimmen sehen!“ Und wer weiß? „Vielleicht kann die Seabreeze unter sächsischer Flagge bei der Hanse Sail fahren“, spinnt Dirk Rolka seine Vision weiter. Das in Deutschland gelistete Hochseeschiff hat alle Meere der Welt gesehen. Nun wird es das Lausitzer Seenland kennenlernen.
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