Ein Fußbad für die Prozessionspferde


von Tageblatt-Redaktion

Auch die Hufe müssen tipptopp sein: Ludwig -rechts- und Matthias Mihan bei der Pferde-Fußpflege.
Auch die Hufe müssen tipptopp sein: Ludwig - rechts- und Matthias Mihan bei der Pferde-Fußpflege.

Ein schriller, langgezogener Schrei. Mit aufgerissenen Augen schauen die Reiter hinunter auf die junge, zierlich gebaute Frau. Oh nein. Nur zögerlich hebt der hünenhafte Kaltbluthengst seinen linken Huf vom Fuß der Pferdehelferin hoch. Deren Gesicht ist schmerzverzerrt, als sie ihren kleinen Fuß wegzieht. Erleichterung bei allen im Hof, als einer „das gibt doch nur einen blauen Fleck“ ruft. Die junge Frau humpelt kurz, kann wenig später wieder lächeln.
„So was passiert schon mal“, bemerkt Philipp Schlegel an diesem Ostersonntagmorgen. Eine knappe Stunde noch, dann werden die Wittichenauer Kreuzreiter nach Ralbitz aufbrechen. Über 400 Pferde sind es in diesem Jahr wieder.
„Ich möchte ein Pferd bestellen…“ Wer in Wittichenau beim Kreuzreiten mitmachen will, aber kein eigenes Ross hat, der kann eines ordern. Etwa beim Reiterhof Schlegel, wo man derartige Bestellungen an befreundete Pferdebesitzer in Brandenburg und Sachsen weitergibt. Der Mietpreis liegt zwischen 140 und 160 Euro. „Wünsche können natürlich geäußert werden“, so Philipp Schlegel, der Sohn des Reiterhof-Besitzers. Soll es ein Kalt- oder Warmblut sein? Kein Problem. Aber was Farbe und Gemüt des Rosses anbelangt – der 24-Jährige weiß aus Erfahrung, dass so mancher gelieferter Vierbeiner nicht immer dem Anforderungsprofil der Kundschaft entspricht. Dem einen ist das Pferd zu mager, dem anderen zu klein oder gar zu temperamentvoll. „Mit dem werde ich Spaß haben“, steht für Ludwig Mihan fest, als er am Vortag sein Leihpferd, eine dreijährige Fuchsstute wäscht. Eine Prozedur, die sich hinzieht. Das Tier ist mächtig nervös, tänzelt unruhig. Der Wittichenauer weiß, dass die Prozession wohl eine Herausforderung werden wird. Für das Pferd. Für ihn. Seine Fuchsstute gehört zu den rund 30 Pferden, die im Reiterhof seit Karfreitag untergebracht sind. Das Vorbereitungsprogramm für die Kreuzreiter dort am Ostersamstag: Pferde waschen, Mähnen und Schwänze flechten. Erstaunliche Verwandlungen finden da statt. Philipp Schlegel: „Hier werden mitunter aus zerzauselten Gäulern noble Pferde gemacht.“ In den zurückliegenden Jahren sei die Hektik auf dem Hof groß gewesen. Weil Pferdetransporter auf den letzten Drücker ankamen oder unter den Reitern des Hofes etliche „Grünlinge“, wie man diejenigen nennt, die zum ersten Mal mitreiten, für Aufregung sorgten. „Dieses Jahr ist nur einer dabei“, hat Philipp Schlegel erfahren. Der reite sogar auf einem Sportpferd. Was nichts anderes heißt, dass der an diesem Tag mehr mit seinem Ross denn mit seinem Gebetbuch beschäftigt sein dürfte.
Eine Stunde vor Prozessionsbeginn laufen ein paar Kreuzreiter mit Trensen in der Hand suchend auf dem Hof herum. Ein Pferd vom Halfter zu befreien und es aufzutrensen – für Gelegenheitsreiter, und das sind die meisten hier – ist das eine zeitaufwendige Angelegenheit. Doch die Zeit ist jetzt sehr knapp. Also müssen Philipp und sein Bruder Stefan das mit Kunstblumen, Muscheln und echter Myrte verzierte Zaumzeug aufziehen.
Es geht los. Die Pferde werden aus den Stallungen geführt. Aufsitzen. Die Gespanntheit der Menschen überträgt sich auf die Tiere. Zu nah sollte man den Reitern jetzt nicht kommen. Die Hausfrau des Gehöfts, Monika Schlegel, verabschiedet die dreißigköpfige Gruppe mit einem Gebet. Philipp Schlegel öffnet das Tor. Draußen ziehen hunderte Menschen gen Marktplatz. Als Erstes verlassen die beiden Fahnenpferde, französische Kaltblüter, die auch die Prozession anführen werden, den Hof. „Mit solchen Pferden sind früher die Franzosen in die Schlacht geritten“, hatte einer der beiden Reiter kurz zuvor voller Stolz erzählt.
Es ist nun kurz nach neun Uhr. Philipp Schlegel schließt das Hoftor. Ruhe kehrt auf dem Reiterhof ein. „Wird ein heißer Tag werden“, meint der 24-Jährige. Und wirft einen Blick nach oben. Zum Himmel.



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