Drei-Klassen-Gesellschaft in Sachen Straßenausbau


von Tageblatt-Redaktion

Die Kreisstraße 9219 in Lohsa gehört zum Kernstraßennetz. Hier gibt es auch Sanierungsbedarf.
Die Kreisstraße 9219 in Lohsa gehört zum Kernstraßennetz. Hier gibt es auch Sanierungsbedarf.

Wenn es drei Klassen von (Kreis-) Straßen gibt, möchte natürlich jede Gemeinde und jeder Anwohner gerne in der obersten sein. Nimmt man doch an, dass (auf Kosten des Kreises, versteht sich!) die Premiumklasse vorrangig ausgebaut, unterhalten, bewinterdienstet und überhaupt in Schuss gehalten wird, während die Unterklasse verlumpert bis zum Dorthinaus. Und endlich gar, welche Schmach, zur Orts-/ Gemeindestraße degradiert wird! Von wo es bis zum rein sandbasierten, nur während besonders günstiger Umstände passierbaren Mahlweg, wie man ihn zwischen Feldern und Wiesen kennt, nicht mehr weit ist. Das größte Ungemach, das eintreten kann, ist eine Rückstufung innerhalb der Hierarchie der Kreisstraßen; sicherer Indikator, dass die davon mittelbar betroffenen Orte so gut wie aufgegeben worden sind und in Kürze wüst fallen müssen.
So dramatische Formulierungen gab es bei der Diskussion zur künftigen Kreisstraßenkonzeption des Landkreises Bautzen im Kreistag am Montag nicht, aber unausgesprochene Ängste schwangen mit, wenn sich etwa Roland Fleischer (SPD) mit Vehemenz gegen die Rückstufung der Kreisstraße 7214 von Lippitsch nach Radibor aussprach; im besonderen des Teilstücks, das Lippitsch im Norden über Wessel mit der S 101 verbindet. Doch Dezernent Steffen Domschke, der „unangemeldet“ zu einer Demonstration nach Lippitsch gefahren war, brachte von da etwas anders lautende Erkenntnisse mit.
Gerhard Lemm (SPD) führte eine Grundsatz-Nuance ins Feld: Ob nun Kreisstraße oder Gemeindestraße, sei fast egal. Denn letztere müssten die Gemeinden aus eigener Tasche bezahlen – und erstere auch, über die Kreisumlage! Er, Lemm, plädiere dafür, den Druck auf den Freistaat zu erhöhen, auf dass Sachsen seine Kreise und Kommunen finanzmäßig besser in Sachen Verkehrsinfrastruktur ausstattet und keine weiteren Staatsstraßen zu Kreisstraßen „umwidmet“, also den Kreisen überhilft, ohne einen Cent mitzugeben; sprich: sich aus der Verantwortung für (Aus)Bau und Unterhaltung, Service inklusive, stiehlt.
Als Landrat Michael Harig zusicherte, man werde ins Protokoll aufnehmen, dass die K 7214 nicht in der Folge zur Gemeindestraße herabgestuft wird, wurde die Konzeption vom Kreistag bei drei  Enthaltungen von den restlichen etwa 60 Kreisräten klaglos angenommen.
Über diesem Nebenschauplatz kam sehr kurz die Frage, was das Konzept aussagt; welche Konsequenzen die Klassifizierung hat, die die schon im Erzgebirge und in der Sächsischen Schweiz gleicherart tätig gewordene Ingenieurgruppe Steinbrecher + Partner sowie die Dr. Brenner Ingenieurgesellschaft nach verschiedenen „Filtern“ (Maßstäben zu Bedeutung und Funktion der jeweiligen Straßen) vorschlugen.
Kernstraßennetz
Es umfasst 251 km und verbindet (sofern dies nicht schon Autobahnen, Bundes- oder Staatsstraßen tun) Mittel- und Grundzentren unter- und miteinander sowie Gemeindeverwaltungssitze mit benachbarten Grundzentren; kurz, Straßen zur überörtlichen Erschließung, zu deren Erhalt der Landkreis rechtlich verpflichtet ist.
Ergänzungsstraßennetz
Es umfasst 365 km und wird vom Landkreis freiwillig im Rahmen der Daseinsvorsorge unterhalten. Vorhandensein von Schul-, Behörden-, Wirtschafts- und touristischen Standorten, Erschließung der Orte durch Öffentlichen Personennahverkehr (oder eben auch nicht), die Straßennutzung laut Verkehrszählungen sowie Wünsche der Kommunen wurden als erheblich bei dieser Klassifizierung herangezogen.
Nachrangiges Straßennetz
Es umfasst 198 km und hat geringere Verkehrsbedeutung. Es „wird durch den Landkreis unterhalten, jedoch nicht nach den Standards für Kreisstraßen ausgebaut“. Heißt: Im wesentlichen wird der jetzige Zustand beibehalten. Verbreiterung oder Herrichtung für größere Tonnagen/ Geschwindigkeiten wird nicht in Angriff genommen; die bauliche Instandhaltung hingegen bleibt sehr wohl kreisliche Aufgabe.
Ergo: Das Kernnetz wird bevorzugt ausgebaut, um größere Verkehrsströme aufnehmen zu können. Das Ergänzungsnetz kann ausbaumäßig folgen; das nachrangige Netz erfährt keine Aufweitung. Wichtig für Besorgte ist die ausdrückliche Versicherung, die Konzeption nehme keine konkreten Umstufungen vor und „der Landkreis Bautzen wird Abstufungsanträge zu Straßen des nachrangigen Straßennetzes grundsätzlich erst dann beim LaSuV (Landesamt für Straßenbau und Verkehr, d. Red.) stellen, wenn entsprechende Verhandlungen mit den Kommunen über den Abschluss einer Umstufungsvereinbarung stattgefunden haben.“ Landrat Michael Harig nannte das Konzept „eine Arbeitsgrundlage“.



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