Die Letzte ihrer Art

Von Mirko Kolodziej

Horst Fehmann aus dem Hoyerswerdaer WK VI schaut fast täglich an der Johann-Sebastian-Bach-Straße 13 vorbei. „Ich kann nicht mehr so weit laufen. Und alles, was man braucht, gibt es hier. Warum soll ich da weitere Wege auf mich nehmen“, erklärt der 75-Jährige seinen regelmäßigen Weg in die Kaufhalle. Ja, Kaufhalle! So etwas gibt es in Hoyerswerda tatsächlich noch. „Wir sind die letzte Bastion“, sagt Daniela Schapals über ihren „Nah und Gut“-Markt im WK IV. Es hätte für das lange als „Spar-Janetz“ bekannte Geschäft leicht auch anders kommen können.

Voriges Jahr setzten sich Brigitte und Bernd Janetz zur Ruhe. Zur Diskussion stand auch, die Kaufhalle aufzugeben. Doch dann wagte Tochter Daniela Schapals, die bis dato in einem dem Abriss geweihten Gebäude in Spremberg ein Geschäft ihrer Eltern betreut hatte, den Sprung in die Selbstständigkeit. In ein paar Wochen wird die Geschäftsübergabe ein Jahr her sein. Und der Laden läuft. „Reich werde ich nicht“, erklärt die Inhaberin. Aber für sie und ihre sieben Mitarbeiter reicht es – solange die über den Daumen in der Woche jeweils 2 500 nötigen Kunden auch zu ihnen kommen. Daniela Schapals nickt, wenn man sie fragt, ob sie der Gegenbeweis für die Behauptung sei, dass so etwas wie eine DDR-Kaufhalle heute nie und nimmer funktionieren könne.

Mit ihren ungefähr 360 Quadratmetern Verkaufsfläche ist sie das kleinste derartige Geschäft in der Stadt. Die meisten anderen sind doppelt so groß, das „Kaufland“ hat 2 800, „Globus“ gar 6 000 Quadratmeter. Doch erstaunlicherweise fehlt im Sortiment nichts. Beispiel Kondensmilch: Es gibt sie bei Daniela Schapals im Tetrapack, in Tuben, im Kännchen, als Pulver, gezuckert und als Diät-Angebot. Das Geheimnis ist schlicht. „Wir haben eben nur einen statt drei Meter Kaffeesahne-Regal“, erläutert Daniela Schapals. Die meiste Ware im WK IV kommt von Edeka. Der Genossenschafts-Verbund (Netto-Discount, Marktkauf, Reichelt) hat einen Vertrag auch mit Daniela Schapals, spielt die aktuellen Preise in den Computer im WK IV, gibt Rabatt-Aktionen vor. „Als Selbstständige kann ich das mitmachen, muss aber nicht“, erklärt Daniela Schapals.

Immer donnerstags wird neue Ware geliefert, Gemüse kommt täglich, Fleisch und Milchwaren dreimal wöchentlich. Ihre Backwaren bezieht Daniela Schapals von einer Dresdener Großbäckerei. Zweimal im Monat fährt sie aber auch zu einer Privatbäckerei in Bautzen, um handgemachte Konditorwaren zu holen. Ihr „Nah und Gut“ liefert auch die Zutaten, die man in der Lehrküche des hiesigen Berufsschulzentrums braucht, und einem gehbehinderten Mann aus dem WK Ve bringt man die Waren des täglichen Bedarfs nach Hause.

Die zwanzig Jahre, die Daniela Schapals Eltern die Kaufhalle betrieben haben, haben sie also tatsächlich zu dem gemacht, als was die Edeka-Stiftung (Minden-Hannover) ihre „Nah- und Gut“-Partner versteht – als Nachbarschaftsmärkte. Dabei sind zumindest die äußeren Umstände im WK IV nicht unbedingt die allerbesten. Daniela Schapals ist in ein Gebäude eingemietet, das der Hamburger Immobiliengesellschaft Schmidt & Schmidt gehört. Doch Hamburg ist weit und wenn in Hoyerswerda Kaputtmacher Scheiben einwerfen, werden schon mal sämtliche Schaufenster vermauert. Doch drinnen gibt man sich trotzdem alle Mühe. Als Daniela Schapals die Kaufhalle übernommen hat, gab es diverse Umgestaltungen, etwa im Getränke-Bereich. Und Kunden wie Horst Fehmann sind dankbar, „Nah und Gut“ um die Ecke zu haben. Es kommen viele ältere Menschen her - aber nicht nur. Unter den treusten Kunden sind auch Schüler der benachbarten Förderschule.

Geöffnet ist montags bis freitags zwischen 7 und 18 Uhr sowie sonnabends von 7 bis 12 Uhr.