Die Hoyschrecken schwärmen aus


von Tageblatt-Redaktion

Die Gewinner des 19. Hoyerswerdaer Liederfests „Hoyschrecke“: Das Duo „Stellmäcke“ mit Michael Meikel Müller(li.) und Olaf Stellmecke (re.) nimmt Publikumsliebling Lucie Mackert in die Mitte.  Fotos: Rainer Könen
Die Gewinner des 19. Hoyerswerdaer Liederfests „Hoyschrecke“: Das Duo „Stellmäcke“ mit Michael Meikel Müller(li.) und Olaf Stellmecke (re.) nimmt Publikumsliebling Lucie Mackert in die Mitte. Fotos: Rainer Könen

Von Rainer Könen

Wenn man von Philip Hellmann wissen möchte, worüber er so singt, was seine Themen sind, erfährt man von seinem Gegenüber erst einmal ein entschuldigendes Lächeln. Das anwächst, wenn man ein solches Anliegen vor einem Auftritt äußert. Er sei ziemlich abergläubisch, wolle erst danach über solche Dinge plaudern. Danach – das ist am Samstag im Hoyerswerdaer Bürgerzentrum die Zeit, in der es auf Mitternacht zugeht.

Man erwischt den 42-Jährigen gerade noch, als er seine Gitarre nach dem Auftritt von der Bühne holt. Eigentlich will er jetzt hinüber ins Café, um dort ein Entspannungsbier zu trinken. Aber weil ein Liedermacher nicht nur zu dem steht, was er singt, sondern auch hält, was er verspricht, bittet er, dass man sich kurz zu ihm setzen solle, hier im Saal, wo er kurz zuvor das Publikum erst irritierte und dann für sich einnahm.

Dass der Berliner beim diesjährigen 19. Liederfest in Hoyerswerda dabei ist, hat er dem Zufall zu verdanken. Bei einem Auftritt in Hamburg erfuhr er von dieser Veranstaltung, „habe mich auf den letzten Drücker beworben“. Sieben Teilnehmer hatte die Vorjury aus 39 Bewerbungen gewählt, so die Moderatorin des Abends, Petra Schwarz. Der achte Teilnehmer, so ist das bei der Hoyschrecke üblich, wird am Tag zuvor auf der Offenen Bühne ermittelt. „Ehrlich, ich hatte damit nicht gerechnet“, erzählt Hellmann.

Aber dass den Besuchern dort seine Lieder gefielen, so sehr, dass er nun noch mal auftreten darf, das ist dem Atem-, Stimm- und Sprechtrainer überaus sympathisch. Wenn er über die anderen Teilnehmer spricht, redet er von Kollegen, nicht von den Konkurrenten. Er sei noch nie bei einem solchen „liebevoll organisierten“ Wettbewerb gewesen und „mir gefällt diese wertschätzende Atmosphäre sehr“, erzählt er. Kurz vor Beginn des Preisträgerkonzerts, bei der Publikum und Jury ihre Besten ermitteln, verändert sich sein Zustand. „Ist normal“, meint er. Er spürt eine gewisse Übelkeit hochkommen, ist schmallippiger geworden und „nicht mehr gut drauf“. Anders ausgedrückt: Symptome, die man auch als Lampenfieber kennt.

Als Petra Schwarz die erste Teilnehmerin ankündigt, es ist Mai Horlemann, die von Frank Helfrich am Klavier begleitet wird, sitzt Philip Hellmann versteckt in der hintersten Ecke des Saales. Schaut aufmerksam auf das, was da auf der Bühne abläuft. Wie die Kollegen die Menschen vor ihnen einfangen, mit ihren Liedvorträgen, mit ihren verbindenden Erzählungen. Ein Blick auf den Ablaufplan dieses Abends: Er ist nach der Pause dran, als Vorletzter. Warten.

Aber das kennt der Liedermacher, der schon einige Jahre in diesem Metier tätig ist. Auf seiner Webseite erfahre man so gut wie nichts über den Menschen Hellmann, erwähnt wenig später die Moderatorin. Warum? Er sei in Süddeutschland aufgewachsen, zwanzig Jahre habe er da gelebt und doch eigentlich nicht. Das Leben habe er dann nachgeholt, schildert es in seinen Liedern. Alltagsthemen. Die Liebe, die Freundschaften gehören dazu. In der Pause ringt man ihm noch zwei Sätze ab. Mai Horlemann habe ihn mit ihrer Stimme in den Bann geschlagen und auch die anderen drei, es folgt ein zustimmendes Kopfschütteln, was wohl heißt, dass er angetan war. Dann will er in Ruhe gelassen werden.

Um kurz vor elf Uhr sein Auftritt. Die Moderatorin kündigt ihn als singenden Logopäden an. Später wird er sagen, dass ihm das nicht gefallen hat. Da würden Assoziationen hochkommen beim Publikum, die er nicht bedienen könne, ja, nicht bedienen wolle. Das erste Lied, er lässt da wohl doch seinen Beruf durchschimmern. Hält manche Töne so unglaublich lange, dass man denkt, dass so etwas sicher nur Sprechtrainer können. Das Publikum schaut überrascht.

Jeder der teilnehmenden Liedermacher darf drei Lieder vortragen. Bei seinen beiden letzten weicht die Irritation der Begeisterung. Als alle durch sind, zieht sich die Jury für eine halbe Stunde zurück, auch das Publikum kann nun wählen. Und Hellmann? „Ich mache bei der Wahl nicht mit“, meint er. Ein Gefühl, wer Publikumsliebling wird oder den Jurypreis bekommt? Sanftes Kopfschütteln. „Alle waren auf ihre Art toll.“ Und er, werde er eine der Hoyschrecken mit nach Hause nehmen? Er wisse es nicht, sein Gefühl sei eines, das mittelgut sei. „Meine Stücke sind halt immer irgendwie experimentell.“ Er braucht jetzt ein Bier.

Um Mitternacht füllt sich der Saal wieder, bei der Preisverleihung zeigt sich, dass Philip Hellmann so ganz falsch nicht lag, mit seiner persönlichen Einschätzung. Das Publikum wählt ihn zum zweitbesten Barden. Erster wird die gebürtige Pfälzerin Lucie Mackert. Den Jurypreis bekommt das Duo Stellmäcke, also Olaf Stellmecke, der von Michael Meikel Müller begleitet wird. Bei der Übergabe der Urkunde, nur für die Erstplatzierten gibt es die von Helge Niegel gefertigten HoySchrecken, lacht Philip Hellmann von der Bühne herab. Ein entspanntes, befreiendes Liedermacher-Lachen.

Platzierung: Publikumspreis: 1. Lucie Mackert; 2. Philip Hellmann; 3. Stellmäcke / Jurypreis: 1. Stellmäcke; 2. Malcom.Z; 3. Nadine Maria Schmidt



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