Die Energiefabrik soll einmalig bleiben


von Tageblatt-Redaktion

Kristin Zinke vor dem stählernden Gang zur Ofenausstellung.
Kristin Zinke vor dem stählernden Gang zur Ofenausstellung.

Der Koloss schläft. Weiß eingepackt im Schnee wartete die Energiefabrik Knappenrode auf die Saison. Der Schnee schmilzt pünktlich. Denn offiziell beginnt die Saison am morgigen 1. Februar. Fabrikchefin Kirstin Zinke sagt Besuchern, die fragen, was man sich denn im Winter vor Ort anschauen könne: „Alle Ausstellungen sind geöffnet. Aber ziehen Sie sich warm an.“ Denn die Fabrik ist kalt. Vor zwanzig Jahren wurde sie heruntergefahren. Von der einstigen Hitze der Produktion ist nichts mehr zu spüren. Und so, wie die Mauern im Sommer angenehme Kühle spenden, speichern sie nun gut die Kälte.

Das führt dazu, dass man dem Weg der Kohle in der Fabrik zwar folgen kann, die Projektoren, die die passenden Bilder aus Produktionszeiten zeigen, kältebedingt aber ausbleiben – bis die Temperaturen den störungsfreien Betrieb wieder zulassen. Man kann ja die Fabrik schlecht beheizen. Aber das Heizen ist schon ein Thema für die Zukunft. Es ist Teil des Standortentwicklungskonzeptes. Und es geht auch nicht darum, wie man die Fabrik selbst beheizt, sondern wie man einen Allwetter-Bereich schafft, in dem man sich grundsätzlich über die Braunkohle, die Fabrik und die Werkssiedlung und die Zukunft des Seenlandes informieren kann, bevor man zur Eroberung der Fabrik selbst aufbricht. Es ist eines dieser Themen für die Zukunft.

Für Kirstin Zinke beginnt mit der neuen Saison ihr zweites Jahr in der Fabrik. Sie selbst sieht es aber als ihr erstes echtes Jahr. „Es ist das Jahr, an dem ich gemessen werden möchte“, sagt sie. Die Saison 2012 war noch von der Vorgängerin vorbereitet worden, sozusagen ein Übergangsjahr. Es gab im ersten Vierteljahr weitere personelle Umstrukturierungen. Und die neue Chefin war viel unterwegs, um sich vorzustellen, Kontakte zu knüpfen, Dinge anzukurbeln. Jede Veranstaltung war eine Premiere für sie. Jetzt ist der Jahreskreis geschlossen. Natürlich steht das Programm für die kommende Saison.

Die herausragenden Höhepunkte werden die FabrikFestSpiele und das Feuerfest sein. Das Thema Nachtschicht wird ausgebaut. Denn wenn es eine solche gibt, ist eine Frühschicht nicht abwegig. Premiere wird das neue Format am 10. März haben. Eine Geländewanderung ist vorgesehen. Aufbauend auf den schönen Erfahrungen mit dem Generaldirektor Werminghoff wird nun eine neue, zusätzliche Figur in der Fabrik eingeführt: „Madame Rosa“, hinter der sich eine Schauspielerin verbirgt, die fundiert und unterhaltsam zur Führung einlädt. Im Anschluss gibt es für die Besucher einen Brunch und eine Osterbastelwerkstatt. Je nach Wetter eben drinnen oder draußen. Wenn das extra entwickelte Programm der Madame Rosa ankommt, soll es für Besuchergruppen ein buchbares Angebot werden.

Die zweite Frühschicht soll die Fabrik den Besuchern ebenfalls unter einem Aspekt öffnen, den sie so noch nicht kennen. Dr. Winfried Nachtigall, der viele Jahre an der Vogelschutzwarte Neschwitz tätig war, wird das Fabrikgelände am 21. April mit interessierten Frühaufstehern unter ornithologischen Gesichtspunkten erkunden. Ebenfalls mit Brunch.
Die beiden Frühschichten gehören zu den Überlegungen des Museumsteams, die Besucherzahlen nicht nur auf dem Vorjahresniveau zu stabilisieren, sondern möglichst wieder um 3 000 Leute aufzustocken und so das 2011er Niveau zu erreichen. Denn die meisten Besucher der Fabrik kommen nun mal aus der Region. Und die kommen nicht, um sich zum fünften Mal den Weg der Kohle anzuschauen, sondern um etwas Neues zu entdecken. Sie werden hoffentlich auch von der neuen Sonderausstellung „Fundstücke“ begeistert sein. Ab 1. April zeigt die Fabrik in dem Bereich, der einst die Ofenausstellung beherbergte, Dinge, die sich im Fundus befinden, aber so nicht gezeigt werden. Warum ein Bergbaumuseum beispielsweise neben Zierbriketts auch ein Ruderboot und eine Gulaschkanone besitzt, wird der Besucher dort erfahren. Alles museumspädagogisch aufbereitet und barrierefrei zu besuchen.
Wenig Sorgen hat Kirstin Zinke, was die Tagesbesucher aus dem Lausitzer Seenland anbelangt. Gerade über die „Energie-Route, deren einzige sächsische Destination Knappenrode ist, kommen Gäste. Jetzt muss es gelingen, Berliner, die schon bis zu den IBA-Terrassen nach Großräschen reisen, noch ein paar Kilometer weiter nach Knappenrode zu leiten. Und in Dresden ist nicht nur in etlichen Amtsstuben unbekannt, dass die Energiefabrik in Sachsen steht.

Also Besucherzahlen optimieren und gleichzeitig zusammen mit dem Förderverein Lausitzer Bergbaumuseum, dem Landkreis Bautzen als Besitzer der Fabrik, der Stadt Hoyerswerda mit dem der Fabrik verbundenen Ortsteil Knappenrode und dem Zweckverband Sächsisches Industriemuseum an der Ausrichtung des Museums arbeiten. Einmalig bleiben, mit anderen Einrichtungen zusammenarbeiten, ohne sich gegenseitig zu kopieren. Und all das braucht Geld. Über den Zweckverband stehen in diesem Jahr 60 000 Euro zusätzlich für Investitionen zur Verfügung. Klingt viel, ist es aber nicht. Kirstin Zinke ist dennoch bescheiden: „Dieses Geld ist nicht selbstverständlich. Ich weiß es zu schätzen.“ Jetzt muss sie daran arbeiten, dieses Geld über Fördermitteltöpfe für die Fabrik zu vermehren. Beispielsweise wird der im vergangenen Jahr gesperrte Kinderspielplatz samt Irrgarten bis zur Saison ertüchtigt. Zusätzliche Spielgeräte werden aufgestellt. Die Beschilderung im Außenbereich wird erneuert. Und es ist immer deutlicher zu sehen, dass die Sanierung der Fabrik schon wieder zwei Jahrzehnte her ist. In diesem Jahr müssen Spezialisten den 96 Meter hohen Schornstein untersuchen, Bewuchs entfernen, lockere Ziegel befestigen, lose Fugen erneuern. Es geht nicht um die Standsicherheit des Schornsteins, sondern um die Sicherheit für die Besucher am Boden. Ein anderes Problem ist zumindest als Provisorium behoben. Besucher dürfen wieder unter der markanten Schrägbandbrücke hindurch zur Ofenausstellung.

Der Weg war im vergangenen Jahr gesperrt worden, weil die Schrägbandbrücke statische Probleme hat. Eine massive Schutzröhre führt jetzt untendrunter hindurch. Gebaut wurde sie vom Nachbarn der Fabrik – der Firma Swanenberg. Trotzdem muss man an die Brücke ran und sie sanieren. Kirstin Zinke weiß, dass so mancher die Fabrik für ein Fass ohne Boden hält. Doch sie ist auch überzeugt, dass, wenn die Konzeption stimmt, es einen nachvollziehbaren Masterplan gibt, man auch den Geldgebern und den Kreisräten gut klarmachen kann, dass die Fabrik sehr wohl einen Boden hat und das Fass gar nicht so tief ist. Denn eigentlich ist der Riese, der da gerade aus seiner Winterruhe erwacht, ein vergleichsweise pflegeleichter Bursche.



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