„Die Dietrich hat sich persönlich bedankt“
Wer das Kino liebt und die Stars des Kinos vergöttert, der konnte vor einigen Wochen in Berlin, auf der Berlinale, die tollsten Tage seines Lebens erleben. Denn wieder einmal waren fast alle Super-Promis aus Hollywood in die Bundeshauptstadt gekommen. Von einem „Promi-Rekord“ sprachen die Zeitungen, von „Promi-Fieber“ war auch häufig die Rede, von „Promi-Dichte“ sprachen gar die Fernsehsender. Natürlich wollte man alle Stars und Sternchen sehen, und so halfen die Journale selbstverständlich dabei, verrieten im Detail, an welchem Berliner Ort und zu welcher Stunde man welchem Star begegnen konnte.
Der Hoyerswerdaer Dieter Pludra war seinerzeit nicht nach Berlin gefahren. Ihn zieht es auch nicht nach Cannes oder Venedig, wo ebenfalls Filmfestivals stattfinden. Wenn er Hollywoodstars, bekannte Schauspieler aus Deutschland oder aus anderen Ländern Europas sehen will, reicht ihm der Griff in seinen Wohnzimmerschrank. Schlägt er eines seiner Alben auf, lächeln sie ihn an: Jane und Henry Fonda, Sophia Loren oder Gina Lollobrigida, Mario Adorf und wie sie sonst alle heißen. Der 69-jährige Pludra sammelt Autogrammkarten von Filmgrößen. Etliche sind signiert. Obwohl er natürlich weiß, dass es oft nicht die Schauspieler selbst sind, die diese Karten signieren, sondern Agentur-Mitarbeiter mit Autogrammstempeln. Aber einige hütet der Rentner wie einen Schatz, weil sie eine persönliche Widmung haben. Von Liz Taylor etwa oder von ihrem Ehemann Richard Burton. Pludra weiß nicht, wie viele Karten er mittlerweile hat, schließlich sammelt er schon seit Jahrzehnten. Aber es seien bestimmt einige Tausend, steht für den Senior fest. Wenn jemand wie er mit so viel Verve Autogrammkarten sammelt, sie katalogisiert, kann es sich hier wohl nur um einen eingefleischten Cineasten handeln. Oder? Ja, das treffe es, so der frühere Lehrer.
Mit seiner Mutter sei er als Kind oft im Kino gewesen. An seinen ersten Film kann er sich noch gut erinnern. Ein Revuefilm sei das gewesen, mit Marika Rökk. „Eine Wahnsinnsfrau“, findet er und gerät ins Schwärmen. Erzählt in einem Atemzug von der „Göttlichen“, wie man die schwedische Schauspielerin Greta Garbo bereits zu Lebzeiten nannte. Die hob sich von ihren Kollegen dadurch ab, dass „sie niemandem Autogramme gab“.
Die Kinobesuche - „So was wie Discos gab es damals nicht“ -, die zunehmende Bewunderung der Schauspieler, weckten in Pludra den Wunsch, sich in diesem Beruf zu versuchen. 1959 nahm er seinen Mut zusammen, fuhr nach Berlin, um bei der Staatlichen Schauspielschule seinen Traum vom Schauspielerleben real werden zu lassen. Jedoch: „Nach dem Vorsprechen erhielt ich eine Absage“, schildert er diesen Tag. Das habe ihn ziemlich mitgenommen. Weil da ein Lebenstraum platzte. Die Enttäuschung darüber habe jedoch nicht lange angehalten. Der Grund: Seine Dekorateur-Ausbildung habe ihm gefallen, ihn zufriedengestellt. Später studierte er, wurde Lehrer. Und das Kino? „Ich habe irgendwann damit begonnen, Agenturen bekannter Schauspieler anzuschreiben, habe um Autogrammkarten nachgefragt.“ Zu Vorwendezeiten sei das immer ein besonderes Erlebnis gewesen, wenn Briefe aus Amerika, aus Hollywood, in seinem Briefkasten lagen. Besonders freute er sich, wenn er Post aus Paris erhielt. Von Marlene Dietrich. Eine Gemeinsamkeit hat er mit der vor 20 Jahren verstorbenen Filmgröße: den Geburtstag. „Sie ist wie ich am 27. Dezember zur Welt gekommen“. „Ich bekam vor ihrem Tod sogar Fotos, auf denen man sie im Bett liegen sah.“ Persönliche Begegnungen mit Schauspielern blieben jedoch die Ausnahme. Die deutsche Schauspielerin Annekathrin Bürger traf er vor einigen Jahren auf der Leipziger Buchmesse. Da habe man kurz miteinander plaudern können. Er glaubt, dass das Sammeln der Autogrammkarten sicher damit zusammenhänge, weil „ich auf diese Weise weiter an einem Metier teilhaben kann, in das ich ja mal hineinwollte.“ Die heutige Schauspieler-Generation empfindet er als farblos. „Vielen fehlt das gewisse Etwas, die sind alle auf irgendeine Art austauschbar“.
In den 1940er und 1950er Jahren hingegen habe man in der Filmbranche großen Wert auf den Glamourfaktor gelegt. Die Schauspieler jener Jahre „sind für mich echte Stars gewesen“.
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