Die Bibliothek in der Telefonzelle


von Tageblatt-Redaktion

Unter anderem dem Einsatz von Andreas Schubert ist es zu verdanken, dass in Hoyerswerda jetzt eine Buch-Tausch-Box eröffnet hat.
Unter anderem dem Einsatz von Andreas Schubert ist es zu verdanken, dass in Hoyerswerda jetzt eine Buch-Tausch-Box eröffnet hat.

Nanu – wird sich vielleicht mancher gefragt haben, der am Donnerstag an der Hoyerswerdaer Südstraße entlangfuhr. Stellt im Handyzeitalter die Telekom wieder Telefonzellen auf? Mitnichten! Es waren die Leute vom Mehrgenerationenhaus (MGH), die aber lieber unbeobachtet bleiben wollten. Es galt strengste Geheimhaltung! Zwei Tage später war die Zelle nämlich gefüllt und verhüllt – mit einem weißen Tuch.

Zum Fest anlässlich des fünfjährigen Bestehens der Einrichtung fiel das Tuch und zum Vorschein kam eine Mini-Bibliothek, oder offiziell: Hoyerswerdas erste Buchtauschbox. „Wir haben so etwas in Berlin gesehen“, berichtet MGH-Mitarbeiter Andreas Schubert, der sich in jüngster Vergangenheit intensiver mit Telefon- und Bücherzellen beschäftigt hatte. Auch in anderen Städten stehen solche ausgedienten Telefonzellen. Doch bevor so etwas nach Hoyerswerda kommt, sind Ausdauer und Hartnäckigkeit vonnöten.

Ein Brief an die Telekom-Zentrale in Bonn – erfolglos. Die Suche dauerte. Bei einer Firma in Falkenberg, die alten Krempel vertreibt, wurde man schließlich fündig. „Es wurde eine Scheibe ausgetauscht, eine Lampe mit Bewegungsmelder eingebaut und der Türmechanismus in Ordnung gebracht“, berichtet Schubert. Zudem gab es einen neuen Fußboden und Regale, einen Farbanstrich in MGH-Optik, nämlich gelb, rot und blau und natürlich – die Bücher, alles Spenden!

Was fehlt, fehlt bewusst: Ein Schloss. Der öffentliche Bücherschrank ist 24 Stunden am Tag und 365 Tage im Jahr geöffnet. Am Samstag standen dort Yoko Onos Erinnerungen an John Lennon oder Gutenacht-Krimis von Agatha Christie. Ein paar Zentimeter weiter drängelten sich russische Märchen, ein Lehrbuch übers Weltall und „Alles über die Eisenbahn“ nebeneinander. „Ich bin mir sicher, viele Leute haben noch unzählige Bücher im Schrank, die sie nicht mehr brauchen“, sagt MGH-Leiterin Anke Hempel. Natürlich ist Vertrauen nötig, um ein solches Projekt gelingen zu lassen. Anke Hempel hat von vielen die Sorge gehört. Geht das überhaupt, bleibt alles sauber? Es gibt nämlich keinen Aufpasser, regelmäßig schauen aber die MGH-Mitarbeiter den Bestand durch.

Und wie funktioniert das Ganze nun? Ganz einfach: Man nimmt und gibt etwas. Man darf sich auch etwas ausleihen und zum Beispiel im Garten des MGH schmökern. Zum Fest am Samstag war die Resonanz gering. Die Gäste schauten lieber Tänzern auf der Bühne oder dem Helene-Fischer-Double Victoria aus Schwerin zu. Der erste, der in den Schrank lugte, war ein Hoyerswerdaer Händler, der vom Trödelmarkt am Gondelteich kam. „Das ist eine gute Sache“, befand er. „Ich hab’ genug zum Tauschen.“

Wenig später sah man auch Festbesucher mit Büchern unterm Arm – natürlich aus der Box. „Ich hab’ zwei Interessante gefunden“, sagte Heike Kossub. „Ich komme sicher wieder und stelle auch was hinein.“ So soll es sein. Eine Bitte hat aber das MGH: Wer komplette Bücherkisten bringt, sollte sie nicht vor der Zelle abladen, sondern sie im Haus abgeben. Platz im Regal ist nämlich nur für rund 150 Bücher. Und Leute, die etwas ausleihen, sollten ja auch noch in die Bücherbox hineinpassen.



Zurück

Einen Kommentar schreiben

Es werden nur jene Kommentare veröffentlicht, die unter Angabe von Vor- und Familienname und einer gültigen E-Mail-Adresse (für Rückfragen) abgegeben wurden.

Bitte addieren Sie 1 und 3.