Der Sitz-Lehrer
Von Mirko Kolodziej
Soeben hat Thomas Petzold noch vor Schülern des Berufsschulzentrums „Konrad Zuse“ im Hoyerswerdaer WK X von kaufmännischer Buchführung und Kundendienstleistungen im Handel gesprochen. Nun sagt er: „Ich bin sehr froh, dass es an dieser Schule so sozial zugeht.“ Man kann von dem Diplom-Ökonomie-Pädagogen nicht sagen, was man sonst so gern von Lehrern sagt – nämlich dass er da gerade vor einer Klasse gestanden hätte. Thomas Petzold saß; und zwar die gesamte Stunde über. Der 58-Jährige ist seit seiner Geburt aufgrund einer Lähmung gehbehindert. Seit ein paar Monaten geht zur Fortbewegung ohne den Rollator nichts mehr.
Petzold, der im WK V zu Hause ist, ficht das kaum an. Seine Schule hat sehr früh dafür gesorgt, dass er trotz seiner fortschreitenden Erkrankung weiterhin arbeiten kann. „Mir war wichtig, dass er in der Branche bleibt“, sagt Schulleiter Wolfgang Gössel. Schon 2006 stellte das BSZ also beim Amt für Familie und Soziales den Antrag auf Förderung eines Spezial-Arbeitsplatzes. 6 400 Euro wurden bewilligt, weitere 1 600 legte die Schule drauf. Im Erdgeschoss wurde dafür Raum 004 mit Projektions-Technik und Spezial-Stuhl so ausgerüstet, dass Thomas Petzold tatsächlich arbeiten kann, ohne aufzustehen oder an die Tafel zu müssen. Das klappt so gut, dass die Ausrüstung nun, nach gut acht Jahren, erneuert wird. Der neue Rechner ist eingetroffen und wird in den nächsten Tagen installiert.
Petzold ist seit 1978 Berufsschullehrer, seit 1992 am Berufsschulzentrum in Hoyerswerda. Er hat nicht wenig Anteil daran, dass die Schule heute so funktioniert, wie sie es tut. Nicht nur hat er damals konzeptionell mitgewirkt. Als es um den Neubau im WK X ging, achtete er auch auf behindertengerechte Bauweise, etwa bei den Türbreiten. „Wer selbst nicht betroffen ist, sieht so etwas gar nicht“, sagt er. Sein Wirken hat seit Eröffnung des gläsernen Baus 1995 durchaus schon einigen behinderten Schülern geholfen. Und alle die jungen Leute, die in kaufmännischen Berufen ausgebildet werden und so mit Thomas Petzold zu tun bekommen, halten offenbar sowohl die behindertengerechte Bauweise des Hauses als auch die Sonderausstattung von Raum 004 für normal. „Die Schüler sehen das ganz gelassen“, sagt jedenfalls Thomas Petzold über den Umgang mit ihm. Im Falle von Probe-Alarmen, schildert er, hätten sich Schüler schon ungefragt seine Aktentasche geschnappt und ihn unaufgefordert beim Hinausgehen gestützt.
Doch für andere als für die Schüler ist Petzolds problemloses Unterrichten dank technischer Hilfen wohl alles andere als normal. 2007 berichtete eine Publikation des Lehrerverbandes Berufliche Schulen Sachsen über ihn und seinen Arbeitsplatz. Sogar eine Broschüre des Kultusministeriums dokumentierte seinen Fall. „Na ja“, sagt er, „ich war der Erste in ganz Sachsen, der so gefördert wurde.“ Und es kamen im Anschluss sogar Nachfragen aus anderen Bundesländern. Mittlerweile ist es wieder etwas ruhiger geworden und im Schulalltag ist Thomas Petzold halt einer von zurzeit 85 Lehrern des Beruflichen Schulzentrums. Er ist froh, dank der technischen Hilfe arbeiten zu können. „Mit jungen Leuten wird es nie langweilig“, lobt er seinen Job. Deshalb beschleichen ihn auch gemischte Gefühle, wenn er an die nahende Rente denkt, die er „freudige dritte Lebensphase“ nennt. Aber bis dahin sind immerhin noch vier Jahre Zeit. Da gibt es kein Nachlassen für den Vollblut-Lehrer. „Teilweise ist er morgens schon vor mir in der Schule“, sagt Wolfgang Gössel.
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