Der neue Express


von Tageblatt-Redaktion

Der Seenlandexpress gestern vor seiner Premierenfahrt nach Dresden
Der Seenlandexpress gestern vor seiner Premierenfahrt nach Dresden

Jörg Mikwauschk macht mir das Busfahren leicht. Der 50-Jährige fährt schön zügig, aber im Rahmen der Gesetzlichkeiten. Gleich hinter Bröthen überholt er den ersten Sattelschlepper. Es wird nicht der letzte sein auf der 84-minütigen Fahrt. Der kleine Mercedesbus ist ordentlich motorisiert. Ich, der notorische Autofahrer, teste den neuen Seenlandexpress. Hoyerswerda Lausitz-Center bis Ostra-Allee gehen im Pkw je nach Verkehrslage in einer Stunde 5 Minuten, Selbstfahrer, bei der Musik, die ich will, in der Lautstärke, die ich mag. Gern einen Kaffee im Getränkehalter.

Hier sitzen wir zu viert. 17 wären möglich. Jungfernfahrt der neuen Fernbuslinie Hoyerswerda-Dresden. Zwei Pressevertreter sind an Bord und zwei zahlende Passagiere. Die eine Frau ist aus Hoyerswerda und will nach Dresden, am Abend wieder zurück, die andere kam am Vortag aus Dresden, um sich das Bee-Gees-Stück in der Lausitzhalle anzuschauen, und fährt jetzt nach der Übernachtung heim. Beide sind vom Bus und der Verbindung begeistert.

Es ist die erste Fahrt des neuen Seenlandexpress. 8.30 Uhr war daher gestern Empfang am Bus auf dem Lausitzer Platz. Oberbürgermeister Stefan Skora sagt, dass der kürzeste Weg zwischen zwei Punkten die Gerade ist. Bei Hoyerswerda und Dresden sei das nicht so. Der Zug fährt über Ruhland und einen direkten Bus gibt es auch nicht mehr. Also bleibt nur Autofahren oder am Abend nach einer Kulturveranstaltung nur die Übernachtung und die Heimfahrt am nächsten Tag. Der neue Seenlandexpress soll das ändern. Freitags, samstags, sonntags und an allen Feiertagen fährt er dreimal täglich nach Dresden und zurück.

So steht es auch draußen drauf auf dem freundlich lackierten Bus. Der fährt in den Farben der Verkehrsgesellschaft Hoyerswerda, bis vor etwa einer Woche Verkehrsgesellschaft Schwarze Elster. Geschäftsführer Rainer Warkus kennt noch alle Bus- und Zugverbindungen, die es mal zwischen Hoyerswerda und Dresden gab und gibt. Jetzt also der Express. Im zweiten Anlauf hat man die Lizenz erhalten. Die Redner lassen durchblicken, dass dafür viel Lobbyarbeit erforderlich war. Jetzt fährt er, und der OB hofft, dass die Sitze immer gut gefüllt sind.

Das geht am besten per Vorbestellung. Man kann natürlich auch auf gut Glück zum Bus kommen, unter Umständen aber eben Pech haben, weil die 17 Plätze voll sind. Abwarten. Um irgendwelche Schlussfolgerungen zu ziehen, soll der Bus erstmal ein halbes Jahr fahren. WLAN an Bord? Warum nicht. Vielleicht andere Fahrtzeiten? Mal sehen, was die Kunden wollen. VGH-Prokurist Klaus-Peter Meyer ist da völlig offen. Erst einmal fahren. Gut belüftet und klimatisiert oder wie an diesem frischen Maitag eben auch etwas beheizt.

Über die Einsteinstraße geht es auf die B 97. Die VGH-Fahrer sind gehalten, die Strecke über die B 97 zu nehmen. Über Kamenz und Burkau ist eine Option bei Baustellen oder Unfällen. Stammfahrer hat der Bus nicht. Mikwauschk erklärt, dass der ganz normal in den Dienstplan eingetaktet ist. Einen Samstag sind die meisten Busfahrer mal zusammen die neue Strecke abgefahren, haben geschaut, wo man am Bahnhof Dresden Neustadt hält und wo am Hauptbahnhof. In Bernsdorf die einzige etwas kritische Situation der ganzen Fahrt. Eine Frau mit Fahrrad will im Stau vor der Baustellenampel unbedingt vor dem Bus vorbei, obwohl der gerade anfährt. Geht aber alles gut.

Zeit zum Lesen, Musikhören oder im Internet surfen. Ich suche bei Google gleich mal nach Seenlandexpress. Doch die Suchmaschine schlägt Seenland-Express vor, nur dass es sich dabei um ein Busunternehmen aus dem Leipziger Raum handelt, das mit bourdeauxrot-gelb-lackierten Bussen unterwegs ist. Erst wenn man brav ohne Strich „seenlandexpress.de“ eingibt, landet man bei den grün-gelben Bussen der VGH.

Wir kommen gut voran. Ich genieße es, nicht auf die Straße schauen zu müssen, sondern von erhöhter Position in der Gegend herumgucken zu können. So schön ist mir die Laußnitzer Heide schon lange nicht mehr vorgekommen. 9.49 Uhr passieren wir die Einfahrt von Ottendorf-Okrilla und brauchen weitere zehn Minuten bis zur Autobahnauffahrt.
Jörg Mikwauschk schwimmt auf der Autobahn mit, überholt einen Reisebus. Einen Gutteil der Strecke darf man eh nur 120 fahren. Der kleine Bus geht bis 100. Reicht völlig. 10.06 Uhr fahren wir in Hellerau von der Autobahn, 10.13 Uhr halten wir am Bahnhof Dresden-Neustadt. Der Fahrer kennt sich nach eigenen Angaben nicht so gut in Dresden aus, fährt aber souverän. Ein privates Navi habe er für den Notfall mit, damit er bei Umleitungen nicht suchen müsse, sagt er. Doch Jörg Mikwauschk braucht es nicht.

Hinter dem Hauptbahnhof in der Bayrischen Straße ist für den Seenlandexpress Schluss. Ich könnte um 11 Uhr zurückfahren oder Abends. Aber ich will gucken, wie es ist, mit dem Zug zu fahren. 10.50 Uhr könnte ich mit Umsteigen in Ruhland losrattern. Da nehme ich lieber um 11.45 Uhr den direkten Zug nach Hoyerswerda. Zeit für einen Bummel durch ein paar Geschäfte, den Kauf von etwas Lektüre im Bahnhofs-Zeitungsladen und einen doppelten Espresso im Marché. Der Fahrkartenautomat druckt für 7,70 Euro mein Ticket aus. Da ist auch der Stadtverkehr in Hoyerswerda mit drin.

Doppelstockzug. Ich habe freie Platzwahl, nehme mir einen, wo sich vier Leute gegenübersitzen könnten, mache es mir gemütlich, esse meinen Proviant, lese, arbeite. Nach wenigen Minuten ziehe ich auf die andere Fensterseite um, weil dort die Elbe zu sehen ist. Schöner Blick. Natürlich hält der Zug andauernd. Voll wird er bis Hoyerswerda nicht. Aber es fahren deutlich mehr Leute als mit dem Bus. Unterwegs sieht man die Baustellen und die Ruinen der Bahn. 13.19 Uhr fährt der Zug in Hoyerswerda ein. Am Busbahnhof steige ich in Linie 2 zum Lausitzer Platz, bekomme so noch eine halbe Stadtrundfahrt. 13.45 Uhr endet meine Reise am Lausitzer Platz, wo sie Punkt 9  Uhr begonnen hatte.



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