Der Meister schwört auf Excellence 70


von Tageblatt-Redaktion

Norbert Jülich, Mâitre Chocolatier, also Schokoladenmeister, bei Lindt, schokolierte und verzierte gestern im Rewe-Markt im Lausitz-Center Hoyerswerda Pralinen.
Norbert Jülich, Mâitre Chocolatier, also Schokoladenmeister, bei Lindt, schokolierte und verzierte gestern im Rewe-Markt im Lausitz-Center Hoyerswerda Pralinen.

Was kann man mit Fröschen anfangen? Küssen. Oder an die Wand werfen. So steht’s bei den Brüdern Grimm, und genau das empfiehlt Norbert Jülich, während er einem Zaungast ein paar Frösche über den Tresen reicht. Freilich mit einem schelmischen Lächeln; keinen Zweifel daran lassend, dass er sehr wohl weiß: Seine Frösche wird keines dieser beiden Schicksale ereilen. Nur sind die Tiere dennoch unrettbar verloren. Die meisten dürften nicht einmal die folgende Viertelstunde überleben, ehe sie von einem Gourmet verspeist worden sind – bei lebendigem Leibe!

Doch der Protest von Tierschützern wird sich in Grenzen halten. Es sind ja – Schokoladenfrösche, die der Mâitre Chocolatier von Lindt großzügig am Rewe-Markt im Hoyerswerdaer Lausitz-Center verteilt.
Auch Mini-Pralinès. Haselnuss-Krokant und Marc de Champagne sind die aufgelegten Aromen. Wer es ganz exquisit möchte, kann eine frisch schokolierte Praline haben; einen „Rohling“, den Jülich mit flüssiger, sanft in einem Kesselchen simmernder Kakaomasse überzieht und dekoriert – mit französischen Walnusskernen, iranischen Pistazien, gehackten Haselnusskernen oder Mandelstiften aus dem Piemont ... – kurz, das Allerfeinste, was der Zutatenmarkt hergibt.

Auch die Schokolade ist Premiumklasse: Ecuadorianischer Criollio-Kakao; eine Sorte, die nur fünf Prozent der jährlichen Ernte ausmacht und (mindestens!) doppelt so teuer ist wie der Forastero, der in Milchschokoladen seinen Dienst tut. Kakao, der hunderte Aromen in sich birgt, die erst das Conchieren erschließt.

Conchieren? Jülich erklärt’s. Auch einige andere Geheimnisse der Schokoladenherstellung, siehe Anhang. Pausenlos gehen derweil Kostproben über den Tisch. Die Gesichter, so sie nicht schon dem Wetter draußen gemäß frühlingsfroh sind, hellen sich bereits beim Entgegennehmen auf. Angeruchs des Schokoladen-Dufts werden sie vorfreudig. Beim Kosten ist endgültig ein bisschen Verklärung da. Der Rewe-Markt, der an diesem Tag zehn Prozent Rabatt auf alles Schokoladige gibt, hat über mangelnden Absatz von Lindt-Produkten nicht zu klagen; ganz gleich, ob es nun die Pralinés sind, die klassischen Tafeln oder die Goldhasen aus dem Ostersortiment.

Schokolade macht glücklich. Das soll, sagt der trockene Alleswisser, am Theobromin liegen. Aber ist‘s nicht einfach nur der Genuss, der die Stimmung aufhellt? Freilich – wenn man sich zu viel des Guten gönnt, ist’s ja nicht gerade Sixpack- oder bikinifigurfreundlich ... Da weiß Jülich Rat: „Ich empfehle: «Nehmen Sie ein Stückchen Edelbitter. In der ist nicht so viel Zucker, und Zucker macht Heißhunger.» Es ist wie überall im Leben: Wenn man in Maßen genießt, ist es Genuss ohne Reue.“

Er selbst gibt zu, dass tagsüber genascht wird; nur abends, da hat er dann doch lieber ein Butterbrot oder sonst etwas Herzhaftes statt noch ein Stück „Excellence 70“, seine Lieblingssorte, mit hohem Kakao-Anteil, dunkel, überaus aromatisch.

Auf jeden Fall ist Schokolade ein Jungbrunnen. Denn Jülich sieht erheblichst jünger aus als im Fernsehen und auf dem Werbe-Aufsteller hinter ihm. Mit dieser Feststellung konfrontiert, muss er nun doch lachen: Das sei ein Kollege, jenseits der 70, der nur noch gelegentlich für Lindt als Mâitre Chocolatier auftrete. Wenn man so will, das Gesicht der Firma, aber längst nicht der Einzige, der die Hohe Kunst des Rührens, pardon: Conchierens beherrscht.

Jülich jedenfalls beherrscht sie. Das bestätigen ihm die anerkennenden Blicke und Worte der Verkoster, deren Zustrom nicht abreißt. Gut für Lindt. Gut für Rewe. Schlecht für die Frösche. Aber ist ein kleiner Glücksmoment (auch wenn er einem anderen bereitet wird) nicht allemale ein besseres Ende, als an die Wand geworfen zu werden?

Zwei Schokoladengeheimnisse

Das Conchieren der Schokolade hat Rodolphe Lindt 1879 erfunden. Streng genommen: Zufall! Lindt hatte schlicht vergessen, am Freitag, bevor er zur Jagd fuhr, das Rührwerk in seiner Schokoladenmanufaktur auszuschalten. Als Lindt am Montag zurückkehrte, fand er etwas ganz anderes vor als das bröselige Zeugs mit leicht säuerlichem Einschlag, das bis dahin als Schokolade firmierte. In den 72 Stunden Gerührt-Werdens (einer Zeitspanne, die noch heute bei Lindts Schokoladenfertigung Gültigkeit hat) hatten sich durch den Lufteinfluss nicht nur die Aromen zum entschieden Besseren verändert, vor allem war die Masse samtig weich geworden, denn die Kakaobutter hatte sich um jeden Partikel des „Rest“-Kakaos gelegt. Das spürte man. Es war nun „Chocolat Fondant“, die „schmelzende Schokolade“.

Milchschokolade: Wasser, also auch Milch, macht Schokolade hart. Erst als der Apotheker Henri Nestlé 1867 lösliches Milchpulver herstellen konnte, war Milchschokolade möglich.

Goldhase: Im Frühjahr 1952 sah der Sohn eines Lindt-Chocolatiers im Garten einen Hasen. Der lief freilich weg. Der Vater schuf ihm zum Trost einen Schoko-Hasen – mit Glöckchen: „Dann kannst du ihn immer finden!”

 



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