Der Goldene Reiter


von Tageblatt-Redaktion

Die Wittichenauer Prozession führt nach Ralbitz. Hier sind die Kreuzreiter zwischen Wittichenau und Hoske zu sehen.
Die Wittichenauer Prozession führt nach Ralbitz. Hier sind die Kreuzreiter zwischen Wittichenau und Hoske zu sehen.

Gäbe es so etwas wie eine regionale Ausgabe der beliebten Ratesendung „Wer wird Millionär?“, wäre das sicher eine interessante Frage, die man dem Kandidaten stellen könnte: Was verbindet den Wittichenauer Peter Schowtka mit Pippi Langstrumpf?
Vielleicht wäre es ja auch eine richtige Millionen-Frage, denn auf die Antwort käme wahrscheinlich sowieso (fast) keiner. Dabei gibt es eine Gemeinsamkeit zwischen dem 68-jährigen Wittichenauer und der weltbekannten Romanfigur der schwedischen Autorin Astrid Lindgren. Das ist der „Kleine Onkel“.
Denn so heißt das weiße, mit dunklen Flecken gesprenkelte Pferd des neunjährigen Mädchens mit den roten Haaren. Das Pferd, auf dem der sächsische CDU-Landtagsabgeordnete am Ostersonntag saß, trägt nicht nur denselben Namen, sondern ist, jawohl, auch ein solches Pferd, ein aus Dänemark stammender Warmblüter, auch Knappstrupper genannt.
Als Schowtka vor drei Jahren zum ersten Mal auf diesem Pferd an der Reiterprozession teilnahm, hatte er sich gewundert, warum er mit ihm insbesondere bei Kindern eine so große Aufmerksamkeit erregte. „Ich hatte mich gefragt,, warum die mit großen Augen auf mein Pferd schauten“, so Schowtka. Bis ihm dann irgendjemand erzählte, dass sein Leihpferd dem von Pippi Langstrumpf ähnle. Sein Knappstrupper stach den Besuchern am Ostersonntag erneut ins Auge. Und Peter Schowtka selbst rückte an diesem Tag ebenfalls etwas in den Fokus.
Denn der Wittichenauer hat nun bei den Kreuzreitern der Stadt einen besonderen Status. Er ist ein „Goldener Reiter“, wie ihn einer der Prozessionsteilnehmer lächelnd bezeichnete. Denn: Zum 50. Mal saß Peter Schowtka beim Kreuzreiten im Sattel. Ein halbes Jahrhundert. Was fällt einem da ein, wenn man zurückblickt? Erst einmal die Alpträume. „Die habe ich in jedem Jahr mindestens zwei- oder dreimal.“ Alpträume, in denen er am Ostersonntag ohne Pferd da- steht oder den Beginn der Prozession verschläft. Ob er in diesen Nächten schweißgebadet aufwacht, darüber kann man nur spekulieren. Auf jeden Fall war er am vergangenen Wochenende vor dem Auftakt der Prozession ein wenig nervös. Wie die anderen Teilnehmer auch. Aber „das ist immer so, ist normal“, meint er. Natürlich sei er bestens vorbereitet in den mehrstündigen Ritt gegangen. „Ich bin topfit“, sein Pferd, das ihm ein Züchter aus dem Spreewald am Karfreitag brachte, das hatte er am Tag darauf, am Karsamstag, in stundenlanger Arbeit „schick gemacht“, wie er das bezeichnet. Der „Kleine Onkel“ sei schon ein schmucker, gut im Saft stehender Wallach. Früher habe man oft Mähren fürs Kreuzreiten bekommen.
Er zeigt auf ein Schwarz-Weiß-Foto. Zu sehen sind da recht klobig wirkende Pferde. Ackergäule. Er will das jedoch nicht abwertend gemeint haben. „In jenen Jahren gab es halt keine anderen Pferde.“ Heute seien die Rösser einfach besser in Schuss, gepflegter. Mit 18 Jahren nahm er das erste Mal an der Prozession teil. Reiten war für ihn kein Problem. Warum? „Ich bin doch ein Bauernjunge.“
Erinnerungen an die zurückliegenden Jahrzehnte. Kreuzreitern fällt da meist erst mal nur das Wetter ein. 1976 etwa. Schowtka, der eine Ausbildung zum Betonbauer absolvierte und später Lateinamerikanische Wissenschaften studierte, meint, „dass das einfach furchtbar war“. Bitterkalt sei es gewesen, dazu „der eisige Wind und das ständige Schneegrieseln“, das habe allen mächtig zu schaffen gemacht. Das Wetter bei seinem Jubiläums-Ritt sei „in Ordnung“ gewesen, erzählte er. Kühl war es, aber sonnig. Was ihn alljährlich etwas wundert, ist, dass bei so vielen Teilnehmern meist so gut wie nichts passiere. Er hält einen Moment inne. Aber ja, natürlich habe er sich beim Kreuzreiten schon mal verletzt. Nach der Rückkehr aus Ralbitz sei das gewesen. Er sei einem Pferd zu nahe gekommen, es trat aus, Rippenbruch. Ein anderes Mal sträubte sich ein Vierbeiner, wollte partout nicht in den Pferdeanhänger. Als Schowtka nachhelfen wollte, wurde es eng. Das Resultat: Schlüsselbeinbruch.
Auf eines legt der gebürtige Wittichenauer großen Wert. Er habe es in all den Jahren nicht auf irgendeinen Rekord angelegt. Dass er nun zum 50. Mal dabei war, er dafür mit dem goldenen Kranz geehrt wurde, sei alles „eine glückliche Fügung“. Vordergründig komme es ihm aber darauf an, auf diese Weise seinen Glauben auszuleben. Wird er im nächsten Jahr wieder dabei sein?
„Ich lege mich da nicht fest.“ Wenn er sich gut fühlt, auf jeden Fall. Reiten wird er dann selbstverständlich wieder auf dem „Kleinen Onkel“.



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