Der Chef ist das Projekt
Von Rainer Könen
Eine Wohlfühlatmosphäre bei den Besuchern ihres Chefs aufkommen zu lassen? Kaffee kochen? „Das gehört zu meinem Job“, erzählt Anja Hillmann. Aber, man möge doch bitte schön ihren Beruf auf gar keinen Fall auf diese eine Tätigkeit reduzieren. Denn das, was sie mache, sei nun wahrlich weitaus umfassender und verantwortungsvoller, meint die 31-Jährige.
Anja Hillmann hat einen Beruf, der seit den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts von Klischees geradezu umweht wird. Da ist die Rede von der Tippse, die mit 300 Anschlägen pro Minute ein Diktat zu Papier bringt, der Frau, die mit kurzem Rock etwas Erotik im Alltagsgrau versprühen soll, dem devoten Mauerblümchen, das sich für den Chef geradezu aufopfert. Mit diesen und anderen Facetten wird der Sekretärinnen-Job häufig interpretiert.
Eine halbe Million Frauen (und ein paar tausend Männer) arbeiten derzeit in den deutschen Vorzimmern und müssen sich in ihrem Alltag mitunter immer noch mit diesen hartnäckigen Klischees auseinandersetzen. Dabei hat sich das Berufsbild der, nennen wir sie noch Sekretärin, in den vergangenen beiden Jahrzehnten zunehmend verändert. Was man auch an den verschiedenen Bezeichnungen für diese Tätigkeit ablesen kann.
Frauen wie Anja Hillmann werden als Assistentinnen der Geschäftsführung bezeichnet, sind Front-Office-Managerinnen, Personal-Assistentinnen oder Fachkraftfrauen für Büromanagement. Der Begriff „Sekretärin“ klingt da wie aus einer schon lange zurückliegenden Zeit, wirkt irgendwie altbacken.
Auch Sarina Schur, die im Vorzimmer des Lohsaer Bürgermeisters arbeitet, sieht sich nicht als typische Vorzimmerdame. Sondern als „Mitarbeiterin des Bürgermeisters“, wie die 31-jährige Lohsaerin erzählt. Sie arbeitet seit 2010 in der sogenannten „Stabsstelle“ des Bürgermeisters. Und sieht sich in ihrem Arbeitsfeld als eine Art Allroundtalent. Denn: „Ich muss in vielen Bereichen der Stabsstelle den Überblick haben“, so Sarina Schur. Und das wird ja auch von ihr erwartet. So arbeitet sie in der Wirtschafts- und Tourismusförderung mit. Ist sie schon einmal mit den typischen Sekretärinnen-Klischees konfrontiert worden? Gar einmal darauf reduziert worden? Ach nein, meint sie. Sicher kenne auch sie nach wie vor schwer auszuräumende Vorurteile. Die sich aber auch aus ihrer Sicht schon längst überlebt haben.
Mit diesen überholten Vorstellungen will seit 2006 ein bundesweiter Wettbewerb aufräumen. Da wird einmal im Jahr „Deutschlands beste Sekretärin“ gekürt. Ein Wettbewerb, der von einem Stuttgarter Bürohersteller veranstaltet wird und bei dessen letzter Ausgabe sich im vergangenen Jahr 250 Bewerberinnen für das Finale in Hamburg angemeldet hatten.
Was dabei ganz interessant ist: Nicht immer kommt die Initiative von den engagierten Damen selbst, in einigen Fällen stacheln die Chefs ihre Assistentinnen für eine Teilnahme an.
Ja, von diesem Wettbewerb habe sie auch schon einmal in diversen Sekretariats-publikationen gelesen, erzählt Sarina Schur. Die Lohsaerin schätzt an ihrem Beruf, dass „ich mich hier täglich weiterentwickeln kann“. Weil das Tätigkeitsfeld so enorm vielseitig sei.
Als Anja Hillmann 2013 ihre Arbeit im Vorzimmer des Lausitzhallen-Geschäftsführers aufnahm, war sie gespannt, was da auf sie zukommen würde. Eines war ihr jedoch von vornherein klar gewesen: die mit dem typischen Sekretärinnen-Dasein behafteten Tätigkeiten wie Kaffeekochen, Kopieren oder das Herrichten des Konferenzraumes werden hier nicht im Vordergrund stehen. Denn „ich muss mich hier auch um andere Projekte kümmern“ so die gelernte Kauffrau für Tourismus und Freizeit.
So war sie schon bei der Organisation des Stadtfestes oder des Weihnachtsmarktes mit involviert. Sie sitzt gelegentlich auch an der Abendkasse, man trifft sie auch mal in der Touristinformation an. Aber letztendlich stehe die Zuarbeit für Dirk Rolka und Verwaltungsleiter Steffen Schur im Vordergrund ihres Jobs. Denn sie muss ihnen, wie sie das beschreibt, „den Rücken frei halten“. Ähnlich sieht es auch bei Sarina Schur aus. Die Assistentin von Lohsas Bürgermeister Udo Witschas bringt das Wesentliche ihres Job so auf den Punkt: „Mein Projekt ist der Chef.“
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