Das Vermächtnis der Marie Bahla
Hier ein Bündel DDR-Mark-Scheine aus den 1960ern. Da eine Flasche mit der Gravur der „Mineralwasserfabrik“, die Fritz Heber in den 20ern und 30ern in Hoyerswerdas Badergasse betrieb. Dort eine hölzerne Truhe mit Datums-Bemalung: „1866“. Man kann schon sagen: Was Marie Bahla da hinterlassen hat, als sie im Sommer vor fünf Jahren 72-jährig starb, kann ganze Bände von Geschichten erzählen. „Warum soll man das wegwerfen? Das wäre doch viel zu schade“, finden Frank Petschick und seine Frau Roswitha. Sie haben Marie Bahlas Hof an der Weinbergstraße in Klein Neida geerbt und beim Aufräumen so manche Überraschung erlebt.
Auf dem Boden zum Beispiel kam ein gut erhaltenes, historisches Kastenbett zum Vorschein, im Keller diverses und sehr robustes Steingut. Mit Marie Bahlas Erbe haben Petschicks nun in einem Nebengebäude des Hofes ein kleines, aber sehr sehenswertes Heimatstübchen eingerichtet. Wer bei ihnen klingelt, kann sich die Ausstellung gern ansehen: Marie Bahlas Schulranzen etwa, ihren Kommunionsschrank von 1949 oder das Poesie-Album, das sie von 1947 bis 1949 geführt hat. Eingetragen haben sich viele Freundinnen aus Scado, Nardt und Tätzschwitz, aber besonders aus Geierswalde. Denn hier war Marie Bahla eigentlich zu Hause. Das Haus ihrer Familie stand an der Kortitzmühle. In Petschicks kleinem Museum in Klein Neida hängt ein Bild an der Wand, das den Hof zeigt.
„Sie war zum Schluss etwas eigenwillig und sicher auch recht einsam“, sagt Frank Petschick über Marie Bahla. Das sei, bei allem, was sie mitgemacht habe, aber sicher auch nicht verwunderlich. Wegen des Bergbaus verlor ihre Familie ihre Äcker in Geierswalde. Dann brannte im Krieg das Haus ab. Auch die Knochen machten Marie Bahla wohl schon früh zu schaffen. Dennoch oder gerade deswegen bewundert Frank Petschick ihre Lebensleistung . Er erzählt, wie sie und ihre Mutter, die bis zum Tod die sorbische Tracht trug, mit dem Ochsenkarren zum Heumachen in Richtung Hoyerswerda aufbrachen. Und er erzählt auch, wie Marie Bahla als Mitarbeiterin des BKW Welzow im Tagebau auf dem Bagger saß. In den 1970ern zog sie mit ihrer Mutter nach Klein Neida.
Der Hof stand wohl schon einige Jahre leer. Mit dem Einzug von Mutter und Tochter erlebte er so etwas wie ein Déjá-vu. In einem Grundbuchauszug von 1865 haben Frank Petschick und seine Frau nämlich eine Marie Nahorka als Eigentümerin gefunden. Dahinter steht ihr Geburtsname und auch „aus Geierswalde“. Familie Petschick, die vor ihrem Umzug ins eher dörfliche Klein Neida in der Altstadt zu Hause war, kennt sich inzwischen auch ein wenig mit der restlichen Geschichte des Ortes aus. Das Ehepaar hat nämlich auch zum Dorf und zum Wein-Anbau, den es hier im 18. Jahrhundert gab, recherchiert. In ihrem Heimatstübchen kann man dazu so etwas wie Schautafeln an einer Wand finden.
Von der Sammlung der Petschicks haben inzwischen auch andere gehört. Von hier und da kommen so nach und nach weitere historische Stücke dazu. Und im Juni, als die Ausstellung beim „KunstLandStrich“ erstmals quasi öffentlich zu sehen war, kamen mehr als 200 Besucher. „Wir hatten da auch viel Hilfe von Bekannten und Nachbarn“, sagt Frank Petschick über das kleine Hoffest, das an der Weinbergstraße stattfand. Man kann es sicher so sehen: Auch über das, was Marie Bahla hinterlassen hat, sind Roswitha und Frank Petschick in Klein Neida heimisch geworden. Sie haben noch so einiges vor. So soll der Keller unterhalb der Ausstellung ein Weinkeller werden. Und ein Raum steht noch zur Verfügung, um historische Küchenmöbel und -geräte auszustellen. Spätestens zum „KunstLandStrich“ 2015 soll die Erweiterung öffentlich gezeigt werden.
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