Das Seenland im Test: Wo sind Hürden, wo nicht?
Knappenrode. Weite Strecken legt Hans-Jürgen Rohe aus Siegburg bei Bonn bundeweit auf Radwegen zurück. In seinem Rollstuhl bewältigt er im Jahr ungefähr 6.000 Kilometer. „Durch das Lausitzer Seenland fahre ich zum ersten Mal. Die Menschen hier sind sehr offen und hilfsbereit. Die Radwege sind neu, breit angelegt und wenig holprig,“ sagt er. Seit 2014 ist er nach einer Borreliose-Erkrankung auf seinen Rolli angewiesen und testet bundesweit für Tourismusverbände Urlaubsgebiete auf Barrierefreiheit.
„Wir sind Mitglied in der deutschlandweiten Arbeitsgemeinschaft "Leichter reisen". Dort sind zehn Gebiete vertreten. Wir fördern und stärken die Entwicklung des barrierefreien Tourismus, entwickeln ihn stetig weiter und kommunizieren dafür“, sagt Therés Wurzler (links im Bild), im Tourismusverband Lausitzer Seenland Projektkoordinatorin für das Netzwerk „Barrierefreies Reisen“. Für Partner aus der Praxis wie den Blogger Hans-Jürgen Rohe sei man dankbar.
Nach einem zu spät erkannten Zeckenbiss änderte die Borreliose sein Leben. Lesen, Schreiben, Sprechen und Hören musste er neu lernen. „Nach einer langen Phase der Niedergeschlagenheit habe ich mir ein Netzwerk mit hilfreichen Personen aufgebaut, ergänzt durch meinen persönlichen Ehrgeiz", erzählt er. Behutsam fand er so in ein selbstbestimmtes Leben zurück - und machte seine Einschränkung zur Profession. Für längere Fahrten koppelt er den Rollstuhl mit einem sogenannten Zug-Gerät zusammen. So kann er auch ausgedehnte Reisen unternehmen.
In seinem Facebook-Blog schreibt er darüber, berichtet außerdem auf Messen und in diversen Magazinen über seine Erfahrungen im Alltag. Stark am Herzen liegen ihm Initiativen wie „Reisen für Alle“, „Netzwerk Hören“ und „Sozialhelden“. „Es sind die kleinen und freundlichen Begegnungen oder zufällige Gespräche, die meinen Alltag bereichern - ohne dass gleich ein Bezug auf meine Einschränkung genommen wird“, berichtet Rohe.
Acht Tage lang war er jetzt im Seenland unterwegs. Mit Kathrin Winkler, Geschäftsführerin des Tourismusverbandes, besichtigte er die F60, später in Altdöbern Park und Schloss sowie Welzow und Proschim. Mit Andreas Ittmann aus Klein Partwitz führte eine Quad-Tour durchs Seenland, eine andere rund um den Senftenberger See mit Stopp am Stadthafen und in der Gartenstadt Marga. Hans-Jürgen Rohe besichtigte den Koschener Kanal und den Familienpark Großkoschen. Staunend fuhr er von der Promenade direkt bis ans Wasser. Im Familienpark gibt es bereits Strandkörbe eigens für Rollstuhlfahrer und sogar Spezialrollstühle. „So etwas kannte ich noch nicht“, staunte der Siegburger. „Ich war mit dem Rollstuhl so gut wie im Wasser - ein wunderbares Gefühl, der Natur so nahe zu sein.“
Von Senftenberg rollte Hans-Jürgen Rohe mit Therés Wurzler am See entlang weiter durch die Elsterheide nach Hoyerswerda und Knappenrode. Im Bergbaumuseum Energiefabrik führte Pressesprecher Uwe Schulz (rechts im Bild) durch Gelände und Ausstellungen. Ein Leitsystem für Blinde und Sehschwache besteht hier bereits. Für Rollstuhlfahrer könne es hilfreich und orientierend sein, meint Hans-Jürgen Rohe. In der zweisprachig gestalteten Ständigen Ausstellung las er immer wieder von den Sorben. Vertiefend erfuhr er von ihnen in der Schwarzkollmer Krabat-Mühle. Hundertprozentige Barrierefreiheit, sagt er, gebe es nicht. Er wünscht sich aber mehr Feinsinn und Offenheit für Inklusion. Denn er will seine Reisen möglichst barrierearm erleben. (AK)
Einen Kommentar schreiben
Es werden nur jene Kommentare veröffentlicht, die unter Angabe von Vor- und Familienname und einer gültigen E-Mail-Adresse (für Rückfragen) abgegeben wurden.