Bauern über Agrarreform geschockt


von Tageblatt-Redaktion

Ab 2014 will die EU die Zahlungen an die Landwirtschaftsbetriebe kürzen.
Ab 2014 will die EU die Zahlungen an die Landwirtschaftsbetriebe kürzen.

Brüssel ist näher, als es Claudia Mönch lieb ist. Die Geschäftsführerin der Landwirtschaftlichen Produktions- und Handelsgesellschaft Bergen hat von der Agrarreform der Europäischen Kommission gehört. „Wenn die kommt, müssen wir wohl Stellen streichen“, sagt sie. Auf dem Spiel stünden über 50 Arbeitsplätze.
Der Anbau von Getreide ist längst nicht mehr gewinnbringend. Damit Europa trotzdem versorgt werden kann, bekommen die Landwirte von der EU eine anreizende Grundsicherung. Die drei Tochterfirmen der Bergener Gesellschaft erhielten letztes Jahr etwa 700 000 Euro. Mit dem Geld wurden überwiegend die Mitarbeiter bezahlt. Ab 2014 will die Kommission die Zahlungen kürzen, sodass der Konzern mit rund 100 000 Euro pro Jahr weniger rechnen dürfte. Die MKH Agrarprodukte in Wittichenau müssten sogar mit einer halben Million Euro weniger auskommen. Auch Betriebe in Lohsa und Oßling wären betroffen.
Und die Reform geht noch weiter: Ein Drittel der Beihilfe soll zurückgehalten und nur dann ausgezahlt werden, wenn sich die Landwirte an bestimmte Umweltauflagen halten. Dazu gehört der Anbau von mindestens drei verschiedenen Pflanzen, um Monokulturen zu verhindern. Die größte Hürde wäre allerdings, dass sieben Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche weder gedüngt noch gespritzt werden dürfte. Agrarkommissar Dacian Ciolos will damit den Ökoanbau stärken. Weil so aber kein Getreide anbaufähig wäre, laufe diese Regel auf eine Begrünung hinaus, sagt Claudia Mönch.
Die langjährige Vizepräsidentin des Landesbauernverbandes steht mehr Grünflächen aufgeschlossen gegenüber und will sich dem Umweltschutz nicht verweigern. „Dort wo Wiese ist, wird Wasser gespeichert“, sagt sie. Dennoch müssten die wirtschaftlichen Interessen wie die Versorgung der Bevölkerung und das wirtschaftliche der Landwirte berücksichtigt werden.
„Wir sollen wettbewerbsfähig sein? Da haut was nicht hin“, sagt die 49-Jährige, die an der Berliner Humboldt-Universität Agrarwissenschaften studierte. „Die Reform berücksichtigt überhaupt nicht die Strukturen in der Region. Aus den LPG sind die größten Landwirtschaftsbetriebe Deutschlands hervorgegangen. Und ausgerechnet die Beihilfen der größten Betriebe werden am stärksten gekürzt.“ Außerdem seien die grundwasserfernen Sandböden in der Lausitz besonders witterungsabhängig. „Erst trockneten unsere Pflanzen letztes Jahr aus, weil es im Frühjahr kaum Regen gab. Und im Sommer büßten wir einen großen Teil unserer Ernte ein, weil es zu viel regnete und der Sandboden das Wasser gar nicht mehr aufnehmen konnte.“
Die Europäische Kommission sieht in den neuen Bundesländern die größten Folgen des Klimawandels auf die Landwirtschaft: Die frühsommerlichen Niederschläge sollen abnehmen – der Boden wird schneller abgetragen. Im Winter sollen die Niederschläge zunehmen, was wiederum zu mehr Überschwemmungen führen würde. „Wir sind ein großer Arbeitgeber in der Region. Wir brauchen das Geld in unveränderter Höhe“, sagt Claudia Mönch. Komme die Kürzung doch, würden die drei Betriebe den Mindestlohn nicht mehr schaffen. Schon jetzt liege der durchschnittliche Bruttolohn bei 8,71 Euro – da seien die Gehälter der Geschäftsführer und die Weihnachtsprämien schon berücksichtigt. Und von den Milcheinnahmen allein könnte der Unternehmensverbund nicht weitermachen wie bisher. „Die Milchpreise sind zwar stabil. Die Kosten, zum Beispiel für Futter, sind aber explodiert.“
Peter Jahr (CDU) sitzt für die Lausitz im Europäischen Parlament und ist Mitglied des Landwirtschaftsausschusses. Es sei unverantwortlich, die Bauern zur Stilllegung von sieben Prozent ihrer Anbaufläche zu zwingen. „Angesichts einer wachsenden Weltbevölkerung und steigender Anforderungen an die europäischen Landwirte kann es nicht sein, dass wir die Bauern zwingen, Flächen stillzulegen.“
Die Kommission verfolgt mit der Reform das Ziel, Länder, die bisher weniger Geld für Landwirtschaft bekamen als im EU-Durchschnitt, stärker zu berücksichtigen. Während deutsche Bauern durchschnittlich 315 Euro je Hektar Land bekommen, erhalten ihre Kollegen in Litauen nur 90 Euro.
Spätestens nächstes Jahr soll entschieden werden, wie die gemeinsame Agrarpolitik aussehen soll. „Ich bleibe optimistisch und glaube es erst, wenn‘s endgültig ist“, sagt Claudia Mönch.

Warten aufs Fördergeld
Im Fördertopf für Sachsens Landwirte klafft ein rund 80 Millionen Euro großes Loch. Dabei war er zu Beginn der Förderperiode gut ausgestattet. Bis zum Dezember 2013 sollten aus diesem Topf Investitionen bezuschusst werden. Obwohl sich die Anträge stapeln, wird kein Geld bewilligt. Die rund 80 Millionen Euro wurden vor zwei Jahren vom Landwirtschaftsminister umgeschichtet und flossen in den Schulhausbau im ländlichen Raum. Der Grund: Zum damaligen Zeitpunkt war die Bereitschaft zu investieren wegen der Wirtschaftskrise gering und das Geld wurde an anderer Stelle gebraucht. Letztes Jahr forderte der Bauernverband den Minister auf, die Förderung fortzusetzen. Doch nun fehlt das Geld. Der Freistaat will die noch im Fonds vorhandene Summe aufstocken. Ein Begleitausschuss soll eine Prioritätenliste erarbeiten. Zur Stunde wird immer noch nicht bewilligt. Das Landwirtschaftsministerium erwartet, dass dies im März passieren wird.



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