An Pinne und Schot getrieben vom Wind


von Tageblatt-Redaktion

Auf dem Geierswalder See fährt der Wind in die Segel .
Auf dem Geierswalder See fährt der Wind in die Segel.

Bereit zum Wenden? Alles nickt. Das Ruder, in der Segler-Sprache Pinne genannt, vom Körper weg bewegen. Wende - weg! Lässt sich gut merken. Für einen Segel-Laien wie mich. Und aufgepasst. Der am Mast befestigte Baum samt Hauptsegel schwingt durch die Luft. In Brusthöhe. Heißt: Ducken. Und auf die andere Seite wechseln. Pinne gerade. Mit der Schot, der Leine zum Bedienen des jeweiligen Segels, werden das Großsegel und das Vorsegel dirigiert. Möglichst so, dass sie sich sofort wieder blähen und dem Boot Vortrieb verleihen.

Knapp eine halbe Stunde befinden wir uns nun schon auf dem Geierswalder See. Um die hundert Meter vom Badestrand entfernt. Die Schnupperstunde auf einem Segelboot der Segelschule Surf-Renner ist im Gange. An Bord ist neben mir der sechsjährige Janik. Geboren in München, zu Hause in Madrid, derzeit zu Besuch bei den Großeltern in Dresden und mit diesen heute eben am Geierswalder See, wie er erzählt. Das Kommando im Boot hat Leif Hansen. Mit dem Laufen lernte er auch das Segeln. Inzwischen ist der 37-Jährige seit drei Jahren als Surf- und Segellehrer tätig. Dieses Jahr erstmalig am Geierswalder See. Der Mann weiß, was er tut. Ich fühl mich sicher.

Und sitze zum ersten Mal im Leben in einem Segelboot. Gesegelt bin ich zwar schon mal. Aber nur mit dem Controller einer XBox-Spielkonsole in der Hand. Logisch, das ist nicht zu vergleichen mit der Realität. Obwohl: Den sogenannten Verklicker gab‘s auch da. Nur flatterte er nicht an der Mastspitze, sondern am Bildschirmrand. Der Verklickerer? Das ist das kleine Fähnchen, das einem anzeigt, oder eben verklickert, woher der Wind eigentlich weht, wie Leif erklärt.
Segler haben ihre eigene Sprache, ihre eigenen Begriffe, wie ich schnell kapiere, auch wenn ich mir nicht alles ad hoc merke. Der Experte, der diese Zeilen liest, möge mir das nachsehen. Windkante, Persenning, die erwähnten Pinne und Fock, ein „bisschen Abfallen“, soll heißen, vom Wind wegdrehen.

Wenn der Wind genau von hinten kommt, wird das als Vorwind bezeichnet, erklärt Leif und steuert das Boot der Klasse Ixylon in genau diese Situation. Janik und ich, wir bekommen nun den Schmetterling zu sehen. So bezeichnet Leif eine bestimmte Segel-Stellung. Eines spreizt sich fast rechtwinklig zur Fahrtrichtung nach rechts in den Wind, das andere nach links. Aha!
Nächste Wende und wieder Fahrt aufnehmen, gegen die Hauptwindrichtung. Kreuzen nennt sich das. Es geht gemächlich voran. Das Wasser plätschert leise gegen den Plastikrumpf des Bootes. Mit zunehmender Entfernung vom Ufer wird die Musik von der dortigen Strandbar leiser. Weit entfernt ist ein Sirren zu hören. Jetski sind unterwegs. Der Wind gleicht einem lauen Lüftchen, ist aber sofort auf der Haut zu spüren, wenn er auffrischt. Leif sieht das immer schon Augenblicke, bevor der Wind in die Segel fährt. Er erkennt das an der Wasseroberfläche. Die ist aufgerauter,welliger, dunkler - wo es windet.
Die Windkante zu finden und zu segeln, also den Winkel, der maximal gefahren werden kann, darauf kommt es beim Segeln an. Leif Hansen zeigt, wie es geht, steuert in den Wind. Ein paar Minuten und eine Wende später habe ich die Pinne in der Hand und die Segel im Blick. Ein leichtes Flattern parallel zum Mast ist auf dem Großsegel zu erkennen. Kleine Korrektur mit dem Ruder. Das Segel strafft sich. Ruder geradeaus. Das Boot bewegt sich auf der Windkante. Beschleunigt.
Bei Windstärke 5 erreicht so eine Ixylon-Jolle locker 15 Knoten, mehr als 30 km/h, erzählt Leif. „Das ist dann wie beim Wasserski oder Wakeboarden, das Schiff gleitet.“ Wir sind deutlich langsamer. Der Bootsrumpf durchschneidet die Wasseroberfläche. Ist mir recht. Zum Kennenlernen reicht‘s. Das findet auch Janik. Und übernimmt die Pinne.

Ich wechsle ans Vorsegel, lasse den Blick über den Geierswalder See schweifen. Leif hält diesen für ein relativ gutes Segel-Revier. „Durch die eher flachen Uferböschungen kommt der Wind freier rein. Er ist nicht so böig“, beschreibt er. Das ist auch gut, um das Segeln zu lernen. Sechs Jollensegler und fünf Katamarane hat Surf-Renner aktuell am See-Ufer stationiert. Voraussetzung, um selbst ein solches Boot zu führen, ist ein Grundschein. Im bisherigen Saisonverlauf hat Surf- und Segellehrer Leif schon einige Schüler gehabt. Hauptsächlich aus Sachsen und Brandenburg. Aber auch aus Berlin. Im Alter zwischen sechs und 70. „Ich habe den Eindruck, dass es sich immer mehr Leute trauen, zunehmend auch Ältere.“ Für ihn steht fest: „Segeln ist ein Markt.“ Auch am Geierswalder.
Janik steuert unser Boot mit dem Namen „Schloof ned“ gen Ufer. Eine gute Stunde ist vorüber. Eine Schnupperstunde. Die Lust auf mehr macht. Warum neben dem Angelschein und dem Motorbootschein nicht auch noch einen Segelschein besitzen? Zwölf Stunden an zwei, drei Tagen müsste ich für den Grundschein einplanen, sagt Leif. Da würde ich dann deutlich mehr als das Segeln an der Windkante und das Wendemanöver, wie gerade in Grundzügen gelernt, beigebracht bekommen. „Mann über Bord“ etwa, die verschiedenen Kurse zum Wind, sicher auch den einen oder anderen Knoten. Mit der „Acht“, dem einfachsten Knoten, wie Leif meint, hat heute die Segeltour für Janik und mich begonnen. Wir brauchten mehrere Versuche.

„Die Leute kommen auf andere Gedanken. Sie können nicht mehr, wie sie wollen. Sie müssen sich auf die Natur konzentrieren, sich nach ihr richten“, schwärmt Leif Hansen für das Segeln. Er beobachtet immer wieder, wie diese Erfahrung Menschen verändert. Auf mich trifft das auch zu. Ich bin begeistert!



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