Zamperzeit


von Tageblatt-Redaktion

In Nardt waren an den Ortseingaengen Schlagbaeume aufgestellt worden und gegen einen freiwilligen Wegzoll gabs Passierscheine
In Nardt waren an den Ortseingaengen Schlagbaeume aufgestellt worden und gegen einen freiwilligen Wegzoll gabs Passierscheine

Wenn in früheren Zeiten jemand von außen an eine Tür pochte, war das oft für die Menschen drinnen ein Augenblick größter Unruhe, wussten sie doch: Was von draußen kommt, kann einem möglicherweise den ganzen Tag verderben. Heutzutage ist der Kontakt zwischen Menschen diesseits und jenseits der Haustür, auch dank der in den Türen installierten Gucklöcher, ein komplett transparenter Vorgang geworden. Und es gibt in den meisten Fällen keinen Grund mehr, sich zu fürchten, wenn es an der Türe klingelt.

Erst recht nicht, wenn man, wie jüngst in Lohsa-Dorf, vorbereitet wurde. Dort hatten die Mitglieder des Heimat- und Kulturvereines in der vergangenen Woche rund 300 Handzettel an die Haushalte im Ort verteilt. Darauf stand sinngemäß, dass man am Sonnabend einer Schar von singenden und tanzenden Menschen Einlass in Haus und Hof gewähren und, bitte schön, doch alles entbehrliche Hartgeld oder etwaige überflüssige Geldscheine bereithalten solle. Zur Mitfinanzierung eines Brauchtums, das auch in Lohsa-Dorf unter die Rubrik „Kultur“ fällt: das Zampern.

Wer also am Sonnabend nach mehr oder minder heftigem Klopfen oder Klingeln seine Haustür öffnete, den blickten die erwartungsvollen Augen etlicher Mitbürger an. Die allerdings nicht auf Anhieb zu erkennen waren, denn schließlich sei es ja üblich, sich zum Zampern in ein entsprechendes Kostüm zu werfen, wie Gerald Tronnier erzählte. Der stellvertretende Vorsitzende des örtlichen Heimat- und Kulturvereines war natürlich ebenfalls mit dabei, als sich die rund 60-köpfige Zampergruppe gegen neun Uhr zum Neidaer Weg, zur dort gelegenen Siedlung Forst, aufmachte, wo man auf die ersten Spenden hoffte.

Die Organisation des Zamperns liegt in Lohsa seit etlichen Jahren beim Heimat- und Kulturverein. In Lohsa-Dorf ist dies ein Brauch mit Tradition. Der vor der Wende jedoch etliche Zeit nicht gepflegt werden konnte, denn „im Sozialismus haben die so was gar nicht gerne gesehen“, so der 49-jährige Tronnier. Bis Ende der 50er Jahre konnten die Zamperer noch durch Lohsa ziehen. Dann war der Spaß erst mal vorbei. Nach der Wende wurde dieses Brauchtum wieder aufgenommen. Seit 1993 gehört das Zampern in Lohsa-Dorf neben dem Maibaumaufstellen und dem Kinderfest zum Leben dazu.

Am Mittag legte der Zamperzug eine Pause an einem Einkaufsmarkt ein. Bis dorthin hatte man auch schon etliche Portionen aus der Gulaschkanone verkaufen können, die von einem Traktor gezogen wurde. Das Wetter zeigte sich ebenfalls von seiner passablen Seite. Vor drei Jahren habe man, blickt Tronnier zurück, den Umzug sogar abbrechen müssen. Der Grund: „Da kam mit einem Mal ein heftiger Sturzregen nieder, waren wir alle total durchnässt.“ Mit den Vorbereitungen für den Umzug hatte der Verein schon vor einigen Wochen begonnen. Man bestellte Pfannkuchen beim Bäcker, kaufte Fleisch und Kartoffeln, besorgte ein Notstromaggregat, so Tronnier weiter. Ach ja, und bei solchen Gelegenheiten dürfe man die GEMA natürlich auf keinen Fall vergessen. Schließlich sei ein solcher Umzug ohne Musik undenkbar. Die Kosten für den Umzug, sie liegen in Lohsa-Dorf zwischen 700 und 1 000 Euro. Und wie viel Geld gibt es für die Zamperer? In Weißkollm seien schon einmal 7 000 Euro zusammengekommen, verrät Tronnier.

Am späten Nachmittag endete der Umzug in einer Gaststätte. Dort wurde dann, unter den Augen aller, das gesammelte Geld gezählt. Das meiste hätten wieder die teilnehmenden Kinder bekommen, berichtet Tronnier. Das Zählen des Geldes, es zog sich bis in den späten Abend hinein. Es war genug zusammengekommen, um den Kinderfasching zu unterstützen und einen Tanzabend zu finanzieren.
Übrigens: Die Lohsaer legten am Sonnabend auf ihrer rund siebenstündigen Tour durch die Straßen etwa 25 Kilometer zurück.



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