„Wir machen vieles möglich“


von Tageblatt-Redaktion

Das Wohnprojekt Kiefernhaag wird demnächst bezogen. Mit der Idee hat die LebensRäume-Genossenschaft mehr polarisiert als sie wollte.
Das Wohnprojekt Kiefernhaag wird demnächst bezogen. Mit der Idee hat die LebensRäume-Genossenschaft mehr polarisiert als sie wollte.

Die LebensRäume-Genossenschaft Hoyerswerda zieht viel Interesse mit ihrem Neubau-Projekt "Kiefernhaag" auf sich. Demnächst will man sich wieder mehr dem Bestand widmen, sagt LebensRäume-Chef Axel Fietzek.

Herr Fietzek, Ihr aktuelles Projekt Kiefernhaag mit der Senioren-WG polarisiert. Entweder es gefällt, oder man lehnt es ab. Haben Sie damit gerechnet?
Das Thema Wohnen ist sehr emotional besetzt, fast wie beim Auto. Was dem einen gefällt, kommt für den anderen gar nicht in Frage. Das haben wir bislang so nur bei den Hochhäusern erlebt. An sich ist diese Debatte ja auch gut. Aber beim Kiefernhaag haben wir es so nicht erwartet.

Betraf die Debatte nur die Senioren-WG?
Haus B, also die Heinrich-Mann-Straße 20-21, mit seinen zwölf Wohnungen war recht schnell und unproblematisch vermietet. Haus A, die Mann-Straße 22, war nicht so leicht. Wir hatten sehr viele Interessenten, haben wirklich viele Gespräche geführt. Jetzt sind wir guter Dinge, dass dieser Tage auch der Vertrag für die letzte Wohnung unterschrieben wird. Vielleicht war das Wort Senioren-Wohngemeinschaft im Vorfeld kontraproduktiv. Das assoziiert ja ein einziges gemeinsames Bad und eine gemeinsame Küche.

Eine Frage der Begrifflichkeit. Was würden Sie heute anders machen?
Ich würde das Projekt vorab noch stärker kommunizieren. Was uns als Bauherren logisch erscheint, muss überhaupt nicht logisch sein. Also muss man es erklären. Zum Beispiel den begehbaren Kleiderschrank. Mancher nahm den einfach nur als Abstellkammer wahr. Wenn ich ihn mir als begehbaren Kleiderschrank vorstelle, ist das aber was anderes. Und auch die Schlafkammer konnten sich einige erst vorstellen, nachdem wir sie möbliert hatten.

Wenn jetzt alle Verträge unterschrieben sind, hat es doch aber funktioniert …
Teil eins des Projektes schon. Teil zwei kommt jetzt. Erst wenn die Wohngemeinschaft funktioniert, dann wird man echte Schlüsse daraus ziehen können, ob das Projekt reproduziert werden kann. Das Wohnen hier wird familienartig sein, an den Solidargedanken angelehnt. Alle schwärmen ja von den tollen Hausgemeinschaften von früher, wo jeder irgendwie für den anderen da war. Hier kann das wieder funktionieren. Es ist ein Geben und Nehmen. Niemand muss den anderen pflegen, aber man passt schon aufeinander auf. Und für wen das nichts ist, der zieht da auch nicht ein. Insofern wird das interessant, wenn es irgendwann mal einen Nachbezug geben soll.

Hoyerswerda wird älter. Wie wollen Ihrer Meinung nach die Menschen im Alter wohnen?
Mit dieser Frage beschäftigen wir uns seit langem. Die Senioren-WG war eine der möglichen Antworten. Wir werden alle älter und gebrechlicher. Auch die soziale Zusammensetzung in den Häusern wird schwieriger. Der Trend geht aber zum lange selbstbestimmten Leben in der eigenen Wohnung. Neben neuen Wohnformen werden hier auch technische und elektronische Assistenzsysteme eine Möglichkeit sein, um die eigene Wohnung bis ins hohe Alter nutzen zu können, Sensortechnik gibt es für viele Lebenslagen. Wir werden in diesem Jahr eine entsprechende Musterwohnung einrichten.

Viele jüngere Leute suchen einfach nur eine individuelle Wohnung. Was machen Sie mit denen?
In den 1980er Jahren hieß es noch: jedem eine Wohnung. Das reicht heute längst nicht mehr. Wir bewegen uns in diesem Spannungsfeld und es ist für uns die Quadratur des Kreises. Denn Wohnungen haben wir zahlenmäßig genug, auch in verschiedenen Formen – nur eben meistens nicht gerade frei. Wenn jemand unbedingt in den Fließhof ziehen will, kann ich ja keinen anderen Mieter rauswerfen. In Hoyerswerda wird viel intern umgezogen. Wir haben nicht die Einwanderungswelle in Hoyerswerda. Rund die Hälfte aller Fragen nach Wohnungen sind innerhalb des Bestands. Man will sich verkleinern, in eine andere Etage ziehen. Ungefähr 50 Wohnungen werden pro Monat zurückgegeben. Aber wir haben trotzdem nur unter fünf Prozent Leerstand.

Wollen viele Leute aus der Platte raus?
Nein, viele Leute wollen gar nicht aus der Platte raus, sondern einfach nur ihre Wohnung verändern. Wir haben schon Lösungen geschaffen, da merkt man hinterher nicht, dass man in einer P1- oder P2-Wohnung ist. Wir machen vieles möglich.

Die berühmte Durchreiche gibt es in etlichen Wohnungen gar nicht mehr …
Das ist so eine Veränderung. Vor über zehn Jahren war das noch kein Thema. Da mussten Küche und Wohnbereich streng getrennt sein. Jetzt wollen viele diese sogenannte amerikanische Lösung.

Wie sieht es bei den LebensRäumen mit Neubauten aus?
Wir vollenden jetzt erst einmal den Kiefernhaag. 2012 werden wir aller Voraussicht nach nicht neu bauen. Das ist vor allem eine Frage der Kosten. Mit den erzielbaren Mieten ist ein Neubau fast unmöglich. Beispiel SolarGardenCity: Da ging man von einer Quadratmeter-Miete von 7,50 Euro und zu niedrigen Baupreisen aus. Man muss heute mit 7 bis 9 Euro Miete bei Neubauten kalkulieren. Aber das ist hier in der Masse nicht zu erzielen. Das geht nur in Einzelfällen. Der Markt wird in Hoyerswerda nicht über 6 Euro gehen. Zum Vergleich: Im Bestand haben wir eine Durchschnittsmiete von 4,15 Euro je Quadratmeter. Und in den letzten zehn Jahren gab es bei uns keine nennenswerten Erhöhungen. Andererseits müssen wir Geld verdienen. Wenn wir keins verdienen, können wir nicht investieren.

Sind bestimmte Wohnformen in Hoyerswerda irgendwann nicht mehr vermietbar?
Nein, es steigt eher die Vielfalt. Der Kiefernhaag ist so ein Beispiel, aber das Modell wird nicht überwiegen. Wir haben einen soliden Bestand. Die Häuser sind in gutem Zustand. Wir denken freilich über vieles nach. Hoyerswerda als Stadt hat Potenzial. Das erkennt mancher, der jetzt auf dem Land wohnt. Die Stadt muss sich ihre Urbanität erhalten. Wir werden unsererseits die Dienstleistungsangebote erweitern. Das wird beim Wohnen eine immer stärkere Rolle spielen.

Wo sehen Sie die LebensRäume in 15 Jahren?
Wir erarbeiten gerade unser strategisches Konzept für die Zeit bis 2025, das auf der Vertreterkonferenz beraten werden soll. Unser Schwerpunkt wird, so viel kann man sagen, die Stabilisierung des Bestandes sein, nicht der Neubau.



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