Wer will noch Spargel stechen?


von Tageblatt-Redaktion

Der Spargel kennt keinen Sonntag, keinen Feiertag. Er wächst, als wenn es kein Morgen gäbe. Und Wenn ihn die Menschen essen wollen, dann muss er zügig geerntet werden. Tag für Tag, bis die Spargelsaison beendet ist. Doch dafür braucht man Menschen, die den Spargel ernten.

Und genau das ist das Problem der Landwirte: Sehr viele Menschen wollen das Edelgemüse essen, aber nur wenige wollen auf dem Feld arbeiten, um ihn zu ernten. Claudia Mönch kann als Geschäftsführerin der Landwirtschaftlichen Produktions- und Handels GmbH ein Lied davon singen. „In diesem Jahr müssen wir das erste Mal überhaupt polnische Erntehelfer beschäftigen“, sagt die Frau, die in den letzten Jahren froh war, dass die Erntejobs mit Leuten aus der Region besetzt werden konnten, wo es hier doch so wenig Arbeitsplätze gibt.

Die 44 festangestellten Mitarbeiter der GmbH bzw. der drei Tochterfirmen sind derzeit aber vor allem mit den Pflichten im Stall und der saisonal bedingten Futtermittelernte beschäftigt. Also braucht man Saisonkräfte für das acht Hektar große Spargelfeld. Doch die zu bekommen, wird immer schwieriger, wie Elke Kretzschmer, in Bergen zuständig für die Erntehelfer, sagt. Man habe zwar einen zuverlässigen Stamm an Leuten, aber darüber hinaus wird es schwierig. Es seien bedeutend weniger Leute vermittelt worden, von denen wiederum nur ein Teil überhaupt arbeiten kommt. Und das, obwohl man mit dem Jobcenter und der Agentur für Arbeit zusammenarbeite.
Alexander Ulbricht, Sprecher der Agentur für Arbeit, denkt, dass das durchaus damit zusammenhängen kann, dass es keinen gemeinsame Arbeitgeberservice der Agentur für Arbeit und des Jobcenters gibt. Denn die Agentur ist, vereinfacht gesagt, für Empfänger von Arbeitslosengeld zuständig, das Jobcenter für diejenigen, die so lange schon ohne Job sind, dass sie Arbeitslosengeld II beziehen.

Die Agentur versuche jedenfalls Jahr für Jahr ihr Bestes. Allerdings verweist Alexander Ulbricht auf das „grenzwertige Lohnniveau“ bei der Spargelernte. Daher setze man bei den vermittelten Arbeitslosen auf Freiwilligkeit.

Dass Spargelernte eine körperlich anspruchsvolle Tätigkeit ist, darin sind die Landwirte und die Arbeitsvermittler einig. Für Claudia Mönch sind die 77 Cent je Kilo Spargel eigentlich ein recht guter Lohn. Ihre besten Leute stechen 60 bis 70 Kilo Spargel in der von 6 bis 10.30 Uhr laufenden Arbeitszeit. Nicht so fitte Leute kämen auf etwa 40 Kilo. Und immerhin sei doch die Festanstellung für den Erntezeitraum zwar eine vergleichsweise kurze, so doch aber immerhin überhaupt eine. Doch augenscheinlich ist das nicht attraktiv genug.

Gernot Schweitzer, Sprecher des Landratsamtes Bautzen, sagt nach Rücksprache mit dem Jobcenter: „Es ermöglicht nur sehr Geübten, bei dem Verdienst von 0,77 Euro je gestochenes Kilo Spargel persönliche Vorteile zu erkennen.“ In Zahlen bedeutet das, dass nur 13 ALG-II-Empfänger in der Produktions- und Handels GmbH Bergen tätig sind.

In der Regel werden nur in Einzelfällen sozialversicherungspflichtige Arbeitsverträge über einen begrenzten Zeitraum abgeschlossen, bestätigt Gernot Schweitzer. Üblich ist die Erzielung von Nebeneinkommen. Jedes Einkommen ist freilich dem Jobcenter zu melden. Dabei sind die ersten 100 Euro anrechnungsfrei. In der Einkommensspanne von 100 bis 1 000 Euro werden dann 20 Prozent ebenfalls nicht auf den ALG-II-Satz angerechnet. Der Rest wird als Einkommen gesehen und verringert den Zahlbetrag des Jobcenters.

Für Elke Kretzschmer bedeutet das, dass etliche ihrer Leute mit dem Arbeiten aufhören, wenn in einem Monat die 100 Euro voll sind. Im nächsten kommen sie dann wieder. So weiß sie eigentlich nie, wie viele Leute am Morgen tatsächlich am Feldrain stehen. Bei den Bergener Landwirten macht sich alles in allem der Eindruck breit, dass die Ämter nicht den entsprechenden Druck ausüben. Denn wie könne es sein, dass sich von den knapp fünfzig als potenzielle Erntehelfer gemeldeten ALG-II-Empfängern nur 18 überhaupt in Bergen vorstellten?

Den Prüfungsvorwurf lässt Gernot Schweitzer nicht gelten: „Wenn sich ein Leistungsempfänger nicht auf ein konkretes Stellenangebot beim Arbeitgeber meldet, erfolgt eine Prüfung durch den zuständigen Fallmanager. Vorhandene Gründe, wie aktuelle Krankschreibungen oder Probleme bei der Kinderbetreuung, werden geprüft.“ Bei unbegründetem Fernbleiben sind demnach auch Sanktionen möglich.

Jährlich versuche man recht erfolglos die Zahl der Erntehelfer zu erhöhen. „Dies ist aber ein bundesweites Problem und nicht nur ein Problem im Landkreis Bautzen“, so Schweitzer weiter. Und so ist es bei den Spargelstechern offenbar wie bei den Ärzten: Wenn man den Betrieb aufrechterhalten will, geht es nicht mehr ohne ausländische Arbeitskräfte.



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