Schuesseltreiben zum Finale


von Tageblatt-Redaktion

Die Waidmaenner haben fuenf Fuechse - neun Rehe - vier Sauen und drei Hirsche geschossen
Die Waidmaenner haben fuenf Fuechse - neun Rehe - vier Sauen und drei Hirsche geschossen

Von Rainer Könen

Punkt acht Uhr an diesem Sonnabendmorgen kommt in dieses orangefarbene Gewusel an der Schutzhütte im Neukollmer Forstrevier Ordnung. In einer Linie stehen sie da, Jäger und Treiber; erfahren von Holm Karraß, dem Leiter des Forstbezirkes Oberlausitz des Sächsischen Staatsforstes, worauf es in den nächsten drei Stunden ankommt, was man als Waidmann tun respektive unterlassen sollte. 

Auf dieser Wegkreuzung sieht man an den Kennzeichen der Autos, dass so mancher der 60 teilnehmenden Jäger eine lange Fahrt hinter sich haben muss. Aus Nordrhein-Westfalen, aus dem Schwabenland ...
Ganz so weit musste Frank Kallenbach (60) nicht fahren. Er lebt in Kleinsaubernitz bei Niesky. Für ihn ist die Jagd auch ein Lebensgefühl. Bei Treibjagden hat er schon viele Male mitgemacht. Er wartet jetzt, nach der Belehrung durch Karraß, der noch einmal darauf hingewiesen hat, wie wichtig ein ordnungsgemäßer Umgang mit den Waffen ist und was zu tun ist, wenn der Ernstfall eintritt: wenn eine Kugel des Kalbers 8 x 57 nicht das Wild, sondern einen orangefarben gekleideten Träger trifft.

Um kurz nach neun Uhr fahren die eingeteilten Gruppen hinaus ins Revier, dorthin, wo die Hochstände sind. Bei so manchem steigt die Spannung sichtbar. Auch bei Kallenbach? „Ja, die Spannung ist schon da, aber so intensiv wie früher nicht mehr.“

Er jagt seit 42 Jahren, stammt aus einer „Jägerfamilie“, wie er das beschreibt. „Da hat man die Jagd im Blut.“ Für ihn ist eine Aktion wie die in Neukollmer Forstrevier, die in der Fachsprache „Ansitz-Drück-Jagd“ heißt, auch eine willkommene Gelegenheit, um zu entschleunigen – von seinem Alltag als Besitzer eines Gasthofes. „Ich genieße diese Zeit auf dem Hochsitz“, erzählt er. Die Ruhe. Schön sei es, für einige Zeit mit niemand sprechen zu müssen, nicht erreichbar zu sein. Ein Handy nimmt er nicht mit. Er klettert auf seinen Hochsitz. An diesem fast frühlingshaften Tag hört er es gelegentlich im Gehölz knacken. Schüsse fallen. Am Ende wird er rund 30 gezählt haben. Treiber sind nicht zu hören. Wie auch, sollen die sich doch wie „Pilzesucher“ (Karraß) durch den Wald bewegen. Vorsichtig, leise. So soll das Wild animiert, nicht gehetzt, werden, aus dem Unterholz heraus zu kommen. Hin zu den Schneisen, den Lichtungen im Wald. Dorthin, wo der Tod wartet. In Form der altbekannten Försterpatrone vom Kaliber 8 x 57. Gelegentlich ist Hundegebell zu hören. Hunde sind wichtig, sollen die Spur der Tiere aufnehmen, die nicht sofort getötet wurden.

Frank Kallenbach schaut mit dem Blick eines routinierten Jägers nach vorne. Sein Gefühl sagt ihm, dass aus dieser Richtung irgendetwas auftauchen könnte. Ein Reh, ein Wildschwein, vielleicht ein Hirsch. Ein lautes Knacken lässt ihn zum Gewehr greifen. Ein Reh lugt aus dem Gehölz am Rand der Lichtung. Langsam greift Kallenbach zum Gewehr. Doch dann, mit weiten Sprüngen, verschwindet es. „Keine Schüsse auf fliehendes Wild, schon gar nicht aus einer Entfernung von 50 oder 100 Metern“, darauf hatte Karraß die Jäger hingewiesen. Wenn das Wild läuft und springt, ist oft kein sauberer Schuss möglich. Wenig später sprintet ein Reh aus dem Dickicht. Wieder nichts. Als Frank Kallenbach nach drei Stunden abgeholt wird, weiß er, dass er dieses Mal kein Tannen-Zweiglein vom Jagdleiter bekommen wird: Er hat kein Wild zur Strecke gebracht. Unzufrieden ist er deswegen nicht. Er müsse nicht immer was schießen. „Ich habe es einfach wieder genossen, draußen zu sein, in der Natur.“

An der Schutzhütte treffen die Jagdgruppen ein. Die Treiber sitzen bei einer heißen Suppe um ein Feuer herum, schauen hinüber, was da auf den „grünen Teppich“ (Karraß) kommt. Zuerst „ein wirklich schönes Tier“, wie ein Treiber einen toten Fuchs beschreibt, der auf dem aus Tannenzweigen zusammengesetzten Quadrat abgelegt wird. Manche Fahrzeuge haben kleine Anhänger, an deren Rändern Blut zu sehen ist. Darin graubraune Leiber, deren Inneres man an Ort und Stelle schon entnommen hat. Die ersten Rehe werden abgelegt, der erste Hirsch herangetragen. Ein junger, von den Jägern als Spießer bezeichnet.

Ein bis zwei Mal im Jahr wird im Neukollmer Forstrevier eine solche Treibjagd veranstaltet. Einem von vieren im Forstbezirk Oberlausitz. Diese Drückjagden stellten eine effiziente Bejagung dar, erzählt Cyrill Schulze vom Staatsbetrieb Sachsenforst. Man müsse sie regelmäßig durchführen, damit die Wildschäden ein wirtschaftlich tragbares Maß nicht überschreiten.

Am Ende stellt die Strecke, die Zahl der erlegten Wildtiere, alle zufrieden: Fünf Füchse, neun Rehe, vier Sauen, drei Hirsche. Für ein Revier von der Größe Neukollms sei das ein gutes Ergebnis, meint Schulze. Der sich wie die anderen teilnehmenden Jäger und Treiber dann freut – auf das beliebte Schüsseltreiben im Anschluss der Treibjagd. Auf Essen und Trinken. Waidmanns Heil!



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