Mission Knöllchen
Er rückt Falschparkern auch bei minus zehn Grad auf den Leib: Dietmar Schmidt ist einer von fünf Ordnungshütern in Hoyerswerda und lässt sich nicht einmal vom Winter einschüchtern. Trotz einsetzenden Schneefalls bricht der 52-Jährige gleich zu einer zweistündigen Tour durch die Altstadt auf. Aber nicht die Kälte wird heute das Unangenehmste sein, sondern wortgewandte Autofahrer, die nie um eine Ausrede verlegen sind.
Schmidt mummelt sich in seine dunkelblaue Jacke ein, schnappt sich Knöllchenblock und Kugelschreiber und startet von seinem Büro in der Dillinger Straße. „Klar, manchmal wäre es schöner, zu zweit durch die Stadt zu touren“, sagt er. Doch das Personal sei begrenzt und die zu kontrollierende Fläche groß: Auf 95 Quadratkilometern müssen die gemeindlichen Vollzugsbediensteten auch blitzen, Hundemarken prüfen, illegal entsorgten Müll melden und auf zugewachsene Verkehrsschilder achten.
Schmidt ist auf dem Marktplatz angekommen. Das ganze Areal ist „Zone 20“. Nur wenige Fahrer wissen, dass sie ihr Auto nur auf den gekennzeichneten Parkflächen abstellen dürfen. Bordstein und Straßenrand sind tabu. Ein schwarzer BMW steht vor einem Imbiss gegenüber des Rathauses – Parken ist hier verboten. Schmidt wartet gedulig fünf Minuten, bevor er zur Tat schreitet. Vor dem Laden beobachtet derweil ein junges Pärchen den Ordnungshüter. Wie sich herausstellt, sind es die Besitzer des Autos. Anstatt das Fahrzeug wegzufahren, essen die beiden gemütlich ihre Bockwurst. Erst als Schmidt seinen Block zückt, gewinnen sie an Tempo und eilen zum Auto.
Abschussprämien? Ein Gerücht!
„Wir kommen nicht von hier – dürfen wir hier etwa nicht parken?“, fragt der Fahrer mit hämischem Lächeln. „Be- und Entladen ist erlaubt, drei Minuten lang“, ruft Schmidt über das Autodach zu. Der Fahrer wird dreister: „Nun ja, ich habe meine Freundin aus- und wieder eingeladen.“ Schmidt ist nachsichtig, schreibt kein Knöllchen – das Auto mit dem Görlitzer Kennzeichen düst davon. „Ich habe eine Verwarnung ausgesprochen“, sagt Schmidt. „Ob ich tatsächlich einen Strafzettel schreibe, liegt in meinem Ermessen.
Und da beide nicht aus Hoyerswerda kommen, war ich nachsichtig. Ich will Besucher nicht aus der Stadt vertreiben.“ Wobei es im Großkreis Bautzen mit dem dazugehörigen Kennzeichen schwierig sei, Einheimische von Auswärtigen zu unterscheiden. Meist würden die Leute aus Bequemlichkeit falschparken, damit sie zehn Meter Fußweg sparen. „Parkplatznot haben wir in Hoyerswerda wirklich nicht“, sagt Schmidt. Doch auch seine Gutmütigkeit hätte Grenzen. „Wenn mir Autofahrer drohen, verstehe ich keinen Spaß mehr.“
Der Ordnungshüter steuert nun die Senftenberger Straße an. Seit Ende letzten Jahres ist die Durchfahrt in Richtung Markt verboten. „Das ist ein echtes Problem, denn Verstöße gibt es noch und nöcher“, sagt Schmidt. „Die Leute sind immer hier entlanggefahren. Und das wollen sie auch weiterhin.“ Anhalten darf er die Autos nicht. Der Eingriff in den fließenden Verkehr ist ausschließlich Sache der Polizei. Während er sich über die Bequemlichkeit der Fahrer beklagt, fährt prompt ein junger Mann in die Senftenberger Straße. Schmidt hebt den Zeigefinger – der Fahrer hält an und lässt die Scheibbe herunter. „Sehen Sie das Schild?“, fragt Schmidt. Der Fahrer will nur zum roten Haus, fragt, ob er dafür den Häuserblock extra umfahren soll. Dann gibt er die Diskussion auf und legt den Rückwärtsgang ein.
Nur wenige Meter entfernt befindet sich der Parkplatz Senftenberger Straße – einer von vier kostenpflichtigen der Stadt. Hier hat Dietmar Schmidt, der seit 13 Jahren selbst kein einziges Knöllchen mehr kassiert hat, meist eine halbe Stunde lang zu tun: Parkscheine prüfen, Strafzettel schreiben, Ventilstand notieren. Heute wird er nur bei einem roten Kleinwagen tätig. „Möglich, dass das Ticket beim Zuschlagen der Tür weggerutscht ist.“ Wenn dies der Fall ist, könne der Fahrer seinen Parkschein nachträglich zur Bußgeldstelle schicken.
Ein Auto ist komplett zugeschneit. Hier hat wohl seit Tagen niemand ein Ticket gezogen. Doch das ist kein Beweis. Und Schmidt darf den Schnee nicht von der Frontscheibe wischen – er könnte wegen Sachbeschädigung angezeigt werden.
Schmidts Tour endet. Meistens kehrt er mit zehn bis 15 Knöllchen zurück, die er an die Bußgeldstelle weiterleitet. Eine Quote müssen die Ordnungshüter in Hoyerswerda nicht bringen. Auch dass es „Abschussprämien“ gebe, sei ein altes Gerücht, sagt Dietmar Schmidt.
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