Leben am Rande des Sperrgebiets


von Tageblatt-Redaktion

Karl Boswank und der Ortsvorsteher von Seidewinkel, Frank Kurjo, an einer versperrten Zufahrt zum Katastrophengebiet.
Karl Boswank und der Ortsvorsteher von Seidewinkel, Frank Kurjo, an einer versperrten Zufahrt zum Katastrophengebiet.

Karl Boswank sitzt in seiner „guten Stube“ im Wohnhaus seines Klein Seidewinkler Vierseithofes und schaut gebannt auf den Computermonitor von Ortsvorsteher Frank Kurjo. Der war zu Beginn der Woche, nachdem er von dem Erdrutsch am Bergener See erfahren hatte, mit der Kamera losgezogen und hat auf sicherem Terrain von Klein Seidewinkel aus Aufnahmen gemacht. „Das sieht ja schlimm aus“, meint Karl Boswank kopfschüttelnd.

Rund 300 Meter hinter den letzten Häusern von Klein Seidwinkel ist stufenförmig der Wald weggesackt. Die Schonung steht jetzt rund 30 Meter tiefer, schätzt Frank Kurjo ein. Wo sich einst eine riesige ebene Fläche erstreckte, hat sich ein großer treppenartiger Trichter gebildet – wie ein gigantisches Amphitheater. Dahinter ist auf einem Foto ein Hochstand erkennbar. „Da kann ja der Karle gar nicht mehr auf seinen Hochstand fahren“, meint Karl Boswank.

Karl Mieth ist ein Jäger aus Seidewinkel. „Und dort, das muss der Weg nach Schacht 12 gewesen sein.“ Diesen Wirtschaftsweg gibt es jetzt so nicht mehr. Im Wasser stehende Baumreihen zeigen, wo entlang er verlief. Hier, hinter Klein Seidewinkel muss der Ausgangspunkt der Rutschung gewesen sein, vermutet Karl Boswank. „Der weiche Boden ist durch die Sprengung abgesackt, und dann hat sich das wellenförmig ausgebreitet.“

Etwa 100 Einwohner hat der Ortsteil von Seidewinkel. Nicht mal 100 Meter hinter den letzten Häusern heißt es jetzt „Sperrgebiet“. Der Bergbausanierer LMBV hat neue Schilder aufstellen und die Wege zum Kippengelände des einstigen Tagebaus Spreetal mit weiß-rotem Flatterband absperren lassen. Eine auswärtige Familie, die hier fast täglich mit ihren beiden Hunden ihre Gassi-Runden dreht, wird die Route ändern müssen. „Ich war natürlich von dem Ausmaß erschrocken“, sagt Frank Kurjo. Auch Teile gewachsenen Bodens seien – vielleicht durch die Sogwirkung – mit abgerutscht. Karl Boswank zeigt sich davon wenig beeindruckt: „Die Häuser stehen auf gewachsenem Boden. Was soll uns hier passieren?“ Über 40 Jahre habe er in verschiedenen Tagebauen in der Region gearbeitet. Laubusch. Scheibe. Scado … „Was glauben Sie, was ich schon alles gesehen habe.“ Viel wichtiger sei ihm, dass die LMBV die weggerutschten Lkw bald birgt. „Die saugen sich fester, dann gehts immer schwerer.“

Bedenken hätten einige Klein Seidewinkler ihm gegenüber schon geäußert, erzählt der Ortsvorsteher. Die brauchen sie nicht zu haben, sagt LMBV-Sprecher Volker Krause. „Die Bebauung ist weit genug weg, da sehe ich keine Gefährdung.“ Das sieht der Elsterheider Bürgermeister Dietmar Koark (CDU) ganz genauso: „Die Leute in Klein Seidewinkel und auch Klein Bergen haben nichts zu befürchten.“

Trotzdem würden die Einwohner grundsätzliche Sicherheitsfragen gern von der LMBV beantwortet wissen. Kleine Rutschungen und Sackungen auch auf gewachsenem Boden hat es in den vergangenen zwei Jahren auf den Feldern ringsum ab und zu gegeben, vermutlich wegen des Grundwasseranstiegs. Ein gekennzeichneter kleiner Hügel auf dem Acker zeugt davon. Der Bürgermeister hat sich bereits mit LMBV-Sanierungsbereichsleiter Manfred Kolba in Verbindung gesetzt, damit dieser in einer der nächsten Gemeinderatssitzungen Fragen beantworten kann. Ein konkreter Termin dafür steht noch nicht fest.

Zu klären seien auch infrastrukturelle Fragen, da bei dem Grundbruch in der vergangenen Woche der bereits fertiggestellte Kanal am Bergener See (Überleiter 4) zerstört worden war. Zudem hat die LMBV die gerade begonnenen Asphaltarbeiten am Wirtschaftsweg von Terra Nova zur Deponie Bergen vorerst gestoppt.



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