Hoyerswerdas Bahnhof als politischer Zankapfel


von Tageblatt-Redaktion

Welche Stunde hat dem Bahnhof geschlagen? Die Zeit läuft jedenfalls eher gegen ihn.
Welche Stunde hat dem Bahnhof geschlagen? Die Zeit läuft jedenfalls eher gegen ihn.

Wenn die Deutsche Bahn nicht betriebsnotwendiges Eigentum verkauft, dann, so sagt Dirk Fischer sei das in Ordnung. Das gelte auch für Bahnhöfe wie jenen in Hoyerswerda, wo so eine Absicht schon seit vier Jahren besteht. „Es ärgert mich aber auch, wenn Bahnhöfe verfallen“, sagt der verkehrspolitische Sprecher der CDU-Bundestagsfraktion. Das TAGEBLATT hat ihn und seine Kollegen aus den anderen Fraktionen mit dem seit Jahren anhaltenden Bedeutungsverlust des Hoyerswerdaer Bahnhofes konfrontiert, der jetzt in der beabsichtigen Schließung des Empfangsgebäudes zum Jahresende durch das privatrechtlich organisierte Staatsunternehmen gipfelt.

„Da mobilisiere ich mal unseren parlamentarischen Staatssekretär“, sagt Dirk Fischer und erklärt, der Mann sitze im Aufsichtsrat der Deutschen Bahn AG. Generell kann der CDU-Parlamentarier an der Entwicklung der Bahn aber nichts Verwerfliches finden. Er rechnet vor, früher habe das Unternehmen den Steuerzahler Jahr für Jahr gut fünf Milliarden Euro gekostet. Heute liefere es jährlich 500 Millionen beim Finanzminister ab und investiere obendrein 1,3 Millionen.

Eines machen die Antworten von Fischer, Sabine Leidig (Linke) und Uwe Beckmeyer (SPD) auf die TAGEBLATT-Fragen klar: Mit der Bahnreform 1994 hat der Bund als Eigentümer auch Struktur-Entscheidungen an den Konzernvorstand abgegeben, was die Linke wegen dessen betriebswirtschaftlicher Orientierung falsch findet. „Eine Bahn der Zukunft muss sich am Wohl der Allgemeinheit, zuallererst an den Fahrgästen und Güterkunden ausrichten“, meint Sabine Leidig und Uwe Beckmeyer sagt: „Ich appelliere regelmäßig an die Bundesregierung als Eigentümer und den Vorstand, sich ihrer öffentlichen Verantwortung bewusst zu werden.“ So sei die Infrastruktur immer noch ein Teil der öffentlichen Daseinsfürsorge, so der SPD-Mann. Bahnhöfe verkaufe man nicht einfach, denn sie seien Aushängeschilder des Unternehmens.

Für Dirk Fischer dagegen ist die Bahn zuerst verselbständigtes Kapital. Man könne die Bahn deshalb nicht zwingen, etwas zu tun, was sie betriebswirtschaftlich für falsch halte. Und die Bahnreform rückgängig zu machen, wäre quasi unmöglich: „Dafür wäre ein Enteignungsgesetz nötig und damit landen Sie garantiert auf der Nase“, so der Hamburger. Sabine Leidig, die in Hessen daheim ist, sagt voraus, wenn alles so bleibe, wie es derzeit ist, werde der Bahnhof Hoyerswerda sicher weiter den Weg des Abstiegs und des Verfalls gehen: „Man muss sich nur die vorhandenen Mängel wie zum Beispiel den Wassereinbruch in der Unterführung ansehen.“

Für Uwe Beckmeyer ist klar, dass Verkehrsminister Peter Ramsauer und die Bundesregierung als Repräsentanten des Eigentümers die Bürger falsch vertreten. Schienenpolitik müsse nicht immer mit der Unternehmenspolitik der Bahn AG gleichbedeutend sein, sagt der Bremer. „Man muss es nur durchsetzen. Das gilt nicht für jede einzelne unternehmerische Entscheidung, aber für die grundsätzlichen Fragen um so mehr“, findet Uwe Beckmeyer.
Patrick Döring von der FDP und Bettina Herlitzius von den Grünen haben die Fragen des TAGEBLATTES bisher unbeantwortet gelassen.

 

 

Oberbürgermeister Stefan Skora (CDU) äußert sich in einer Erklärung zur Bahnhofs-Schließung.

„Anlass zu Empörung und Kritik an den Bahnverantwortlichen war in den zurückliegenden Tagen für verschiedene Leserbriefe die vom Bahnsprecher bestätigte Schließungsabsicht für das Empfangsgebäude am Bahnhof – völlig zu recht, wie ich finde. Es ist ungeheuerlich, wie sich die Bahn nach und nach aus ihrer Verantwortung stiehlt. Da wird zuerst der Service immer schlechter, dann werden notwendige Reparaturen hinausgeschoben oder mangelhaft ausgeführt, unter fadenscheinigen Begründungen wird der Zugbetrieb von und nach Hoyerswerda gleich mal ganz eingestellt. Vorläufiger trauriger Höhepunkt ist die besagte Schließung des Bahnhofsgebäudes.

Die Bahn ist für die Nutzbarkeit der Empfangsgebäude und der damit verbundenen Betriebs-und Service-Einrichtungen oder gängiger Annehmlichkeiten für Reisende verantwortlich und nicht ein Dritter, weder eine Stadt noch irgendeine Behörde, weder ein kommunales Unternehmen noch ein anderer Gewerbetreibender, weder ein Verein noch sonstige Privatleute. Natürlich kann man von den letzten vorhandenen Mietern im Bahnhof nicht erwarten, dass sie für einen sicherlich nicht unerheblichen Geldbetrag die Immobilie kaufen. Aber gilt das nicht auch für eine Stadt wie Hoyerswerda? Noch über Jahre haben wir uns gemeinsam der dringend notwendigen Haushaltskonsolidierung zu stellen und werden nach jedem Cent und Euro für die sogenannten freiwilligen Aufgaben suchen, die doch letztlich das städtische Leben erst lebenswert machen.

Und mit welchen Problemen es ein neuer Eigentümer des Bahnhofsgebäudes möglicherweise zu tun bekommt, zeigt ein Blick in das Exposé, mit dem der Verkauf der Immobilie beworben wird. Nicht nur, dass man einen Bahnsteigzugang mit erwirbt – gewiss mit allen Anliegerpflichten. Es befinden sich ganz sicher auch betriebsnotwendige Anlagen auf der Fläche, deren Zugänglichkeit für die Bahn man jederzeit gewährleisten müsste. Schon allein deshalb gehören Bahngebäude zum Unternehmen.

Und wer will von einem künftigen Privateigentümer des dann ehemaligen Empfangsgebäudes verlangen, dass er es jederzeit für frierende Bahnreisende öffnet?! Ich bleibe dabei, dass hier in erster Linie die Bahn gefragt ist, auch wenn manch einer stets die Verantwortung oder gar Schuld bei der Stadtverwaltung und deren Führung sucht. Hoyerswerda hat sich gemeinsam mit vielen Partnern seit Jahren erfolgreich bemüht, das Umfeld des Bahnhofs im Rahmen des Sanierungsgebietes „Bahnhofsvorstadt“ zu verbessern, wobei natürlich noch nicht alle Ziele erreicht sind. Nicht zuletzt die kürzlich nach jahrelangem Missstand durch ein kommunales Unternehmen neu errichtete Toilettenanlage am Bahnhof gehört zu diesen Verbesserungen, auch wenn einige dies ins Lächerliche ziehen oder in Fäkalsprache verunglimpfen.

Gemeinsam mit unseren politischen Mandatsträgern und weiteren Mitstreitern werden wir nicht darin nachlassen, bei der Bahn die Wahrnehmung ihrer Verantwortung einzufordern. Parallel dazu werden wir aber mit geeigneten Partnern auch nach anderen möglichen Lösungen suchen. Konstruktive Hinweise und Vorschläge sind dabei stets willkommen.“



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