Gedenken in Hoyerswerda


von Tageblatt-Redaktion

Etwa 150 Menschen nutzten am Samstag auf dem Lausitzer Platz die Möglichkeit zum stillen Gedenken an die Opfer der ausländerfeindlichen Übergriffe 1991 in Hoyerswerda.
Etwa 150 Menschen nutzten am Samstag auf dem Lausitzer Platz die Möglichkeit zum stillen Gedenken an die Opfer der ausländerfeindlichen Übergriffe 1991 in Hoyerswerda.

Die Vorsitzenden der vier Stadtrats-Fraktionen und Oberbürgermeister Stefan Skora sind sich einig, dass die Stadt Hoyerswerda über die Schaffung einer Gedenkplatte zur Erinnerung an die Opferder ausländerfeindlichen Übergriffe 1991 intensiv nachdenken sollte. Allerdings ist man der Auffassung, dass eine solche im öffentlichen Raum nicht viel bringen würde. Man wolle keinen Wallfahrtsort für linke als auch rechte Extremisten schaffen. Und das Thema Sachbeschädigung spielt eine Rolle. Man geht davon aus, dass eine solche Gedenkplatte früher oder später beschädigt werden würde.

Auch die Stele zum stillen Gedenken an den Herbst 1991, die Samstagnachmittag auf dem Lausitzer Platz stand, wurde am Abend wieder weggeräumt. Einige wenige Hoyerswerdaer, aber vor allem die Teilnehmer des Tages der Heimat des Bundes der Vertriebenen in der Lausitzhalle, hatten auf dem Platz um 15.30 Uhr Kerze entzündet. Sachsens Innenminister Markus Ulbig betonte kurz zuvor in seiner Festrede anlässlich des Heimattages, dass die zu Kriegsende vertriebenen Deutschen zumindest in Sachsen „nicht nur für die Ächtung der Vertreibung, sondern auch für eine gelungene Integration“ stehen. Ulbig warb dafür, dass die Vertriebenen ein Teil der Willkommenskultur sein mögen, die Sachsen ab 2014 qualifizierten ausländischen Zuwanderern bieten will.

Temporär war ebenfalls das improvisierte Denkmal, das am Nachmittag für wenige Minuten auf der Wiese gegenüber dem Schweitzer-Straße-Hochhaus an der Külz-Straße aufgestellt worden war. Die von der Initiativgruppe „pogrom91“ organisierte Demo bestand zum allergrößten Teil aus auswärtigen Teilnehmern. Die rund 250 Demonstranten wollten der Stadt auf ihrem Zug vom Bahnhof durch Alt- und Neustadt einen Spiegel vorhalten. Sie kritisieren die Gedenkpolitik sowohl in der Stadt als auch den örtlichen Medien und monieren eine Verharmlosung des Herbstes 1991, für dessen Geschehnisse sie selbst nur den Begriff rassistisches Pogrom gelten lassen.

Den direkten Kontakt zwischen einer Ansammlung von rund dreißig Rechten in der Schweitzer-Straße und den 250 Linken unterband die Polizei, die mit rund 150 Mann, der Reiterstaffel, Hunden und einem Hubschrauber im Einsatz war. Auf dem Netto-Parkplatz hielt die Polizei die Rechten in Schach, die zuvor schon lange unter polizeilicher Beobachtung standen hatten. Auf der gegenüberliegenden Wiese errichteten die Linken ihr temporäres Denkmal und packten es anschließend wieder ein. So war es von vornherein auch geplant. Direkte Zusammenstöße, Sachbeschädigungen und sonstige Straftaten blieben laut Polizei, die bis in den späten Abend in der Stadt präsent war, aus.

Der Demonstrationszug war gegen 15 Uhr am Bahnhof in der Altstadt gestartet. Auf einen Stopp auf dem Marktplatz hatte der Demo-Veranstalter in Absprache mit der Einsatzleitung kurzfristig verzichtet. Es gab mehrere Zwischenkundgebungen im Stadtgebiet.

Gestern nahmen auch Superintendent Heinrich Koch und sein Vorgänger Friedhart Vogel im Gottesdienst in der Johanneskirche Bezug auf die ausländerfeindlichen Übergriffe im September 1991, an denen einst sowohl zugereiste Krawallmacher als auch Hoyerswerdaer beteiligt waren. Es gab Dutzende Verletzte. Ähnliche Straftaten ereigneten sich in den folgenden Monaten deutschlandweit.

 

Starke Emotionen am Tag der Heimat

Erwin Brier kämpft mit den Emotionen. Der 84-Jährige, der heute in Cottbus wohnt, steht in der Ausstellung zum Lager Elsterhorst und erinnert sich an die Zeit, als seine Familie aus dem Kreis Glaz vertrieben wurde, auf der Flucht war, schließlich im Lager Elsterhorst landete. Er ist einer der Zeitzeugen, die am Samstag bei der Eröffnung des ersten Teils der Ausstellung zur Geschichte des Lagers Elsterhorst anwesend sind. Er erzählt Innenminister Markus Ulbig und Hoyerswerdas Oberbürgermeister Stefan Skora seine Geschichte und anschließend, weil sie sie hören wollen, noch einmal den Journalisten. Obwohl er beruflich sehr zufrieden war und in der Lausitz ansässig wurde, hat er nie wieder eine neue Heimat gefunden, sagt er.

Draußen, vor der Baracke auf dem Gelände der heutigen Landesfeuerwehrschule warten viele andere, um die Ausstellung zu sehen. Sie ist in der jetzigen Form erst der Anfang. In wenigen Jahren soll die gesamte Geschichte des Lagers, das von 1939 bis 1948 existierte, umfassend dargestellt werden. Dicht umlagert ist jetzt schon am Eröffnungstag das Modell, das zeigt, wo sich das Hauptlager und die Kommandantur befanden und wo das Lazarett, dessen letzter Rest quasi die Ausstellungsbaracke ist.

Nach der Einweihung geht es auf die andere Seite der Bundesstraße, dort, wo sich die Kriegsgräberstätte befindet. Auf den Grabsteinen steht auffallend oft 1946 und 1947 als Sterbejahr. Es sind die jener Vertriebenen, die die Strapazen nicht überlebt haben und in Elsterhorst starben. Kränze werden niedergelegt. Auch Erwin Brier ist dies ein Bedürfnis. Bläser sorgen für die feierliche Umrahmung.

Viele derer, die zur Eröffnung der Ausstellung gekommen sind, sehen sich später im Forumsaal der Lausitzhalle wieder. Sie sind Teilnehmer der zentralen Veranstaltung des Landesverbandes des Bundes der Vertriebenen anlässlich des Tages der Heimat. Der Innenminister ist der Festredner. Es wird gut gegessen. Und natürlich gibt es Kultur. Man trifft sich, man erinnert sich, holt auch 20 Jahre nach der Wende das nach, was man zu DDR-Zeiten nicht durfte. Vertreibung war Tabu-Thema. Und viele der Heimattag-Teilnehmer zünden wenig später draußen vor der Halle eine Kerze an, in Erinnerung an die ausländischen Vertragsarbeiter und Asylbewerber, die 1991 aus Hoyerswerda verjagt wurden.



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