Das Kind im Manne


von Tageblatt-Redaktion

Der letzte Schrei sind diese luftgefüllten Lauf-Kugeln, die Stefan Böhm hier vorführt.
Der letzte Schrei sind diese luftgefüllten Lauf-Kugeln, die Stefan Böhm hier vorführt.

Es begann, wie könnte es auch anders sein, mit einer Hüpfburg. Mit dem Trabant fuhr Stefan Böhm nach Aachen, um das Spielgerät in Form eines Regenbogens abzuholen. Acht Stunden dauerte der Hinweg, 16 Stunden die Rücktour. „Im Trabi kann man sich im Westen schon mal verfahren“, lächelt Böhm. Zum Schluss sei das Dach des Autos eingedrückt gewesen und die Räder hätten schief gestanden. Aber es konnte losgehen – mit dem, was heute, zwanzig Jahre später, jeder in Hoyerswerda und Umgebung als „Kinderland“ kennt.

Und das ist räumlich leicht untertrieben. In der großen Halle im Gewerbegebiet Neuwiese-Bergen, die dem „Kinderland Böhm“ als Lager dient, hängt eine Deutschlandkarte. Von Hoyerswerda aus führen eingezeichnete Linien in alle Himmelsrichtungen. An ihren Endpunkten hatten Stefan Böhm und seine Leute schon beruflich zu tun. Das bayerische Oberstdorf ist ebenso dabei wie Elmshorn in Schleswig-Holstein. Die gegenwärtige Tour des vom „Kinderland“ veranstalteten Kindertobetages macht in Frankfurt/Oder und Jonsdorf genauso Station wie in Dresden und Riesa. Doch in Hoyerswerda nahm die Reihe 1996 ihren Anfang. In der nächsten Woche gibt es nun die dreißigste hiesige Auflage in der Turnhalle des Berufsschulzentrums „Konrad Zuse“ im WK X.

Stefan Böhm führt durch die Regalreihen in seiner Lagerhalle. Es gibt hier Hochräder, Tretautos in Form englischer Oldtimer, Minitischtennisplatten und Go-Karts. Beim Kindertobetag findet man Hüpfburgen, eine Kletterstadt, eine Walrutsche oder einen elektrischen Rodeo-Stier. Von der Spielwaren-Messe in Nürnberg hat Stefan Böhm gerade mechanische Reitpferde mitgebracht. Neu sind auch transparente Kunststoff-Kugeln, in denen man herumlaufen kann. Stefan Böhm hat das alles selbst ausprobiert: „Ich versuche, mich in die Mädchen und Jungen hineinzuversetzen.“ Das Kind im Manne! Seinen Mitarbeitern – zwei sind fest angestellt und weitere zwei Dutzend arbeiten als Pauschalisten – sagt er immer: „Habt Achtung vor den Kindern! Beobachtet sie – ihre Freude, ihre Dankbarkeit! Dann wisst Ihr, dass Eure Arbeit anders ist, als Geschirr abzuwaschen oder Kabelgräben zu schippen.“

 Dem 45-Jährigen ist das Unternehmertum gewissermaßen in die Wiege gelegt worden. Sein Vater ist der Hoyerswerdaer Optiker Siegfried Böhm. „Ich habe schon in der Schule in der Bravo abfotografierte Star-Fotos verkauft“, sagt er. Doch er wurde zunächst Elektromonteur, arbeitete im Tagebau Welzow. Weil es dort bei vier Meistern in der Brigade und der Weigerung, SED-Mitglied zu werden, keine Aufstiegschancen gegeben habe, wechselte Böhm 1988 als Barkeeper ins damalige Haus der Berg- und Energiearbeiter, die heutige Lausitzhalle. Ein Jahr später brach die DDR zusammen. Nach und nach wurde Stefan Böhm dann Unternehmer.

Zum Bergmannstag 1990 sah er die erste Hüpfburg. Bald darauf fuhr er im Trabi nach Aachen. Der erste eigene kleine Kindertobetag fand im Kindergarten an der heutigen Collinsstraße statt. Böhms Firma ist in zwanzig Jahren gewachsen. Neben simplen Hüpfburgen stehen heute High-Tech-Adventure-Burgen mit Rutschen und Kletterwänden. Die Grundlage ist aber geblieben. „Toben, klettern, fahren, basteln – die Motorik ist wichtig“, sagt Stefan Böhm. In seiner Lagerhalle, die ein klein wenig an Peter Pans „Nimmerland“ erinnert, steht ein irgendwie ganz passender Spruch an einer Wand geschrieben. „Alle Träume können wahr werden, wenn wir den Mut haben, ihnen zu folgen“, ist dort zu lesen.
Nächster „Kindertobetag“ im WK X ist am 20. März zwischen 14 und 18 Uhr.



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