Wo sind all die Graureiher hin?


von Tageblatt-Redaktion

Dieser Graureiher wurde vor zwei Jahren bei Knappenrode fotografiert. Auf das Motiv musste man dort erfahrungsgemäß nicht lange warten. Vergangene Woche war ebenda eine solche Aufnahme nicht so ohne Weiteres möglich
Dieser Graureiher wurde vor zwei Jahren bei Knappenrode fotografiert. Auf das Motiv musste man dort erfahrungsgemäß nicht lange warten. Vergangene Woche war ebenda eine solche Aufnahme nicht so ohne Weiteres möglich

Graureihersee heißt das ehemalige Tagebaurestloch direkt neben der Energiefabrik Knappenrode. Doch Graureiher sind derzeit hier eher wenige zu sehen. Weder sind sie, von einzelnen Exemplaren abgesehen, mit bloßem Auge in der Luft zu beobachten noch mit dem Fernglas auf den Nestern in den Bäumen an der Kreisstraße Knappenrode-Koblenz. Und auch die Geräuschkulisse ist anders als in den Vorjahren. Dabei müssten sie gerade brüten. Wer den Aussichtspunkt am See besucht, um Graureiher zu gucken, ist jedenfalls enttäuscht. Dabei war die Kolonie stets ein Garant für gute Beobachtungen. Das fiel auch Tageblatt-Leserin Ingrid Zülke auf. Galt die Graureiher-Kolonie nicht sogar mal als größte Graureiherkolonie Europas? Wo sind all die Tiere hin? In der Kolonie wurden 1994 noch 612 Brutpaare gezählt. Zehn Jahre später waren es halb so viele. Im Jahr 2010 wurden immerhin noch 130 ermittelt. Nachzulesen im Bericht des Monitoringprogramms für den Kormoran und für den Graureiher im Freistaat Sachsen.
Wie viele Tiere aktuell die Graureiherkolonie bei Knappenrode bewohnen, ist noch nicht ermittelt. Viele können es nicht sein. Aber der Rückgang am Graureihersee ist kein spezifisches örtliches Problem, sondern eines, das den ganzen Freistaat betrifft. Laut dem Monitoring geht der Graureiherbestand im Freistaat zurück. 2010 gab es im Freistaat rund 1 340 Brutpaare in den zu diesem Zeitpunkt bekannten 47 Brutansiedlungen. Das sind knapp 400 Brutpaare bzw. 23 Prozent weniger als im Vorjahr. Betroffen ist vor allem der Landesbezirk Dresden, zu dem auch die Lausitz gehört. Diplom-Biologin Kareen Seiche, die den Bericht erstellt hat, stellt dort fest: „In den großen Brutkolonien Reichwalde und Malschwitz waren Abnahmen des Brutbestandes gegenüber 2009 um nahezu 50 Prozent zu verzeichnen.“ Der deutliche Bestandsrückgang wird mit dem langen Winter 2009/2010 in Zusammenhang gebracht. Die überdurchschnittlich lange geschlossene Schneedecke habe vermutlich zu einer erhöhten Sterberate bei den überwinternden Alttieren geführt. Ermittelt werden die Zahlen von 85 ehrenamtlichen Zählern, zu denen auch Herbert Schnabel gehört. Der hauptberufliche Ranger des Biosphärenreservats Oberlausitzer Heide- und Teichlandschaft zählt in den Teichgebieten Döbra und Neudorf-Klösterlich. Ende April/Anfang Mai werden die Brutbestände erfasst, im September und im Oktober gibt es Synchron-Zählungen in den Nahrungsgebieten und im Winter drei Zählungen auf den Wasserflächen. Die Organisation der Wasservogelzählungen erfolgt über eine zentrale Organisationsstruktur. Die Daten werden von der Vogelschutzwarte Neschwitz gesammelt, aufbereitet und im Rahmen des Monitoringprogrammes ausgewertet.
Eine Erklärung, warum gerade eine solche große Kolonie wie bei Knappenrode immer kleiner wird, nennt als häufigste Ursache das Sterben der Alttiere. Offenbar reicht der Jungtierbestand auch nicht aus, um den Gesamtbestand zu stabilisieren. Allerdings ist es auch so, dass gerade das Lausitzer Seenland sich stark verändert. Silbersee und Knappensee waren über viele Jahre die großen Gewässer der Region. Jetzt hat sich die Zahl der Seen vervielfacht. Und es ist schwer zu sagen, wie viele neue Einzelnester unentdeckt bleiben. Interessanterweise bilden sich aber auch neue Kolonien. Und das an Orten, die vor 15 Jahren kein ausgewiesenes Graureihergebiet waren. Im Tierpark Görlitz stieg in den vergangenen zwölf Jahren die Zahl der Brutpaare von null auf 81 im Jahr 2010. Im Hoyerswerdaer Zoo hatten 2010 immerhin schon 14 Graureiher-Brutpaare ihre Nester gebaut. Die Vögel sind allerdings nicht nur im Zoo selbst auf Nahrungssuche, sondern immer wieder an den Wasserläufen der näheren Umgebung, zuweilen auch mitten in der Altstadt am Elsterfließ zu beobachten. Dass das allerdings nicht nur Freude verursacht, musste auch schon Ingrid Zülke erfahren. Sie schaut jetzt ganz genau, wo sie im Bereich des Zoos ihr Fahrrad abstellt. Denn eines Tages war es wohl ziemlich stark von Vogelkot verschmutzt gewesen. Der Verursacher obendrüber war schnell ausgemacht – ein Graureiher. (US)



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