Warum diese Lehrerin hingeworfen hat


von Hoyte24 News

Warum diese Lehrerin hingeworfen hat
Foto: privat

Hoyerswerda. Im Februar 2023 schickte Sport- und Biologielehrerin Katrin Hoßmang vom Lessing-Gymnasium ein Schreiben ans Landesamt für Schule und Bildung, das den jährlichen Antrag auf Teilzeit betraf. Sie selbst schrieb darin von einem Brandbrief und schilderte unter anderem aus ihrer Sicht das, was man schon damals allgemein als Lehrermangel kannte:

Wir haben zwei Bio-Lehrer, die seit September zur Unterrichtsversorgung zur Verfügung stehen. Laut Papier sind es vier, aber eine Kollegin ist langzeitkrank, die andere schwanger. Sie hat aber wenigstens in den neunten und zehnten Klassen online unterrichtet. Da es im Fach Chemie nicht besser aussieht, wurde der komplette Biologie- und Chemie-Unterricht auf eine Wochenstunde gekürzt. Die siebten Klassen und zwei fünfte Klassen hatten bis November keine einzige Biostunde. Dann wurden uns glücklicherweise Kollegen aus anderen Schulen geschickt, sodass wenigstens etwas Unterricht gesichert werden konnte. Im Januar kam dann ein Kollege aus der Rente zurück, um uns zu helfen. Dadurch hat sich der Chemiebereich etwas entspannt. Von der Kürzung der Biostunden konnten wir leider nicht zurücktreten.

Katrin Hoßmang war 35 Jahre lang Pädagogin, davon 33 Jahre am Lessing-Gymnasium. Sie sagt selbst, sie sei es mit Leib und Seele gewesen. Nun hat sie die Nase aber gestrichen voll und hat gekündigt; nicht einfach so, sondern weil das Land Sachsen nicht bereit war, ihre Arbeitsbelastung zu minimieren. Im letzten Schuljahr arbeitete die 59-Jährige Vollzeit. Das sind 26 Unterrichtsstunden, sie erhielt wegen ihres Alters eine Abminderungsstunde.

Das ist allerdings nicht die komplette Arbeitszeit. Hinzu kamen Korrekturen von Arbeiten, wobei Katrin Hoßmang sich sage und schreibe um 19 Klassen beziehungsweise Kurse zu kümmern hatte. Überdies war sie als stellvertretende Klassenleiterin tätig, leitete die Bio-Fachkonferenz, hatte Anwesenheitpflicht in Arbeitsgruppen, kümmerte sich um zwei Bioräume, bestellte Bücher und Unterrichtsmittel, betreute komplexe Leistungen, organisierte Schnuppertage, Experimentierwerkstätten sowie den Kulturnachmittag der Klasse 8 und führte persönliche Elterngespräche. Was das bedeutete, wurde ihr selbst erst richtig bewusst, als sie für ein Projekt zur Arbeitszeiterfassung ausgewählt wurde.

Daten liegen von 26 Wochen vor; im Durchschnitt schlagen 41 Wochenstunden zu Buche. Und da sind Ferien sowie Urlaub eingerechnet. In Schulwochen waren 50 oder manchmal 60 Stunden keine Seltenheit. Nun hat Katrin Hoßmang sehr lange in Teilzeit gearbeitet. Es begann 1996 damit, dass das Land dies anordnete. Damals gab es zu viele Lehrerinnen und Lehrer beziehungsweise zu wenige Schülerinnen und Schüler. Über Jahre war Teilzeit die Norm; und Katrin Hoßmang wechselte erst im vergangenen Schuljahr in Vollzeit. Sie dachte, ihre eigenen Kinder sind groß, es werde mit Vorbereitung schon gehen.

Sie habe, sagt sie heute, unterschätzt, was es bedeutet, keinen Sport mehr und nur noch Biologie zu unterrichten. Sport sei zwar anstrengender, aber weniger aufwändig in Vorbereitung sowie Benotung. Dazu bedeuteten die 19 Klassen und Kurse, dass sie sich kaum Schülernamen merken konnte und wegen des Benotungsaufwandes relativ gesehen weniger Zensuren vergeben konnte. Sie bemerkte auch, dass Schülerinnen und Schüler eine Bio-Stunde pro Woche tendenziell eher so einschätzen, dass das Fach nicht so wichtig sei. Folge seien, erzählt sie, außergewöhnlich viele Fünfen und Sechsen gewesen:

Das stellt mich nicht zufrieden; und das hält man auch nicht bis 67 aus.

Kurz und gut: Für das kommende Schuljahr wollte Katrin Hoßmang zurück in die Teilzeit: 19 Unterrichtsstunden, was etwa 40 Arbeitsstunden ausgemacht hätte. Zumal Ihr klar war, dass sie auch wieder eine Klasse als Klassenlehrerin führen würde. Erst gab es auf ihren entsprechenden Antrag über Wochen gar keine Reaktion vom Landesamt für Schule und Bildung (Lasub), dann eine Ablehnung. Nun muss man wissen, dass die vom Land Sachsen einst als Notlösung gegen Schülermangel verordnete Teilzeit inzwischen tatsächlich regelrecht untersagt ist. Dabei weist der Hoyerswerdaer Anwalt Hagen Döhl auf unsere Nachfrage darauf hin, dass sich aus dem Teilzeit- und Befristungsgesetz ein Anspruch auf Teilzeit ergibt, der sich vor Arbeitsgerichten auch erstreiten lasse:

Der Arbeitgeber kann ein Teilzeitverlangen nur unter den Voraussetzungen des § 8 Abs 4 TzBfG ablehnen. Die betrieblichen Gründe, die er geltend machen möchte, muss er nachweisen können. Jedenfalls ist eine grundsätzliche, generelle Ablehnung ausgeschlossen. Sie muss immer einzelfallbezogen unter Angabe der betrieblichen Gründe dargelegt werden. Ich glaube nicht, dass dem Schulamt das gelungen wäre.

Und, fügt er an, eine tatsächliche Arbeitszeit mit bis zu 60 Wochenarbeitsstunden sei nach den Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes auch abseits des Teilzeitanspruches rechtswidrig. Aus dem sächsischen Kultusministerium wird der Teilzeit-Bann mit dem allgemeinen Lehrermangel begründet:

Rund 35% der in Sachsen beschäftigten Lehrerinnen und Lehrer arbeiten in Teilzeit. Dies entspricht einem Verlust an Arbeitsvermögen von rund 2.500 Vollzeitäquivalenten. Zur Absicherung der Unterrichtsversorgung wird Teilzeit deshalb nur mit Rechtsanspruch (Pflege Kinder, Eltern, Krankheit etc.) gewährt. Das Landesamt für Schule und Bildung als personalverwaltende Dienststelle hat in solchen Fällen keinen Ermessensspielraum.

In Katrin Hoßmangs Fall freilich stehen dem Lasub nun statt der von ihr gewünschten 19 Unterrichtsstunden null zur Verfügung. „Ich verstehe nicht, dass man nicht den Spatz in der Hand nimmt“, sagt sie. Die bisherige Pädagogin hat mit dem Job abgeschlossen und sich arbeitssuchend gemeldet. Sie könne sich, sagt sie, beruflich vieles vorstellen; nur keinen Schuldienst mehr. Auf jeden Fall wolle sie bis zur gesetzlichen Rente arbeiten. Ihre Kündigung, schrieb ihr das Lasub, sei zum 30. Juni wirksam. Sie schaltete einen Anwalt ein, der die Behörde auf die gesetzliche Kündigungsfrist hinwies. Die Antwort lautete, man teile seine Rechtsauffassung zwar nicht, das Arbeitsverhältnis ende nun aber zum 31. Juli. (red)

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