Vor 80 Jahren fielen Bomben auf Hoyerswerda

Hoyerswerda. 80 Jahre ist es her, dass Kampfhandlungen zum Ende des Zweiten Weltkriegs für erhebliche Schäden in der Stadt gesorgt haben. Die Chronik verzeichnet, dass am 18. April 1945 gegen 17 Uhr sechs bis acht Flugzeuge der Roten Armee Bomben über Hoyerswerda abgeworfen haben. 19 Menschen seien sofort tot gewesen, weitere in der Folge an ihren Verletzungen gestorben. Die spätere Museumsdirektorin Helga Müller (1931 – 2011) hat die Ereignisse in ihrem Buch „Hoyerswerda – mein Leben“ so beschrieben:
Fliegerbrummen aus Richtung Groß Särchen, immer näher. Ganz fest umklammert Onkel Max meine Hand, zieht mich vorwärts. An der Postecke sehen wir die Flugzeuge kommen, russische Jäger in Dreiherreihe. Sind es sechs oder mehr? In dem Moment klinken sie – eigentlich noch weit hinten, vor der Stadt – Bomben aus. Wie riesengroße Tränen tropfen die schräg heraus, stürzen schrill pfeifend auf uns zu. Ein vielstimmiger Schrei: „Runter in den Postkeller!“ Jemand hält die schwere Haustür und die eiserne Kellertür auf. Von unten brüllts: „Nein, hier ist’s voll!“.
Da werden wir wie von Geisterfäusten hinuntergestoßen, fallen auf ein stöhnendes Menschenknäuel. Der Druck der Bombenexplosion in Bäcker Richters Haus hat uns in den Luftschutzkeller gepresst. Mörtelstaub stiebt nach, kratzt in den Kehlen. Die Menschen jammern, husten, einige bluten. Wir rappeln uns hoch, kommen auf die Füße. Onkel Max tastet mich ab: „Bist du verletzt?“ Nein, das Blut an den Händen ist nicht von mir. Von oben führen zwei Männer ein schlotterndes, schreiendes Häufchen Elend herunter – die Tochter des Postmeisters.
Draußen ist es nun ruhig. Onkel – in panischer Angst um seine Mädels – will weiter. Ich mit. Über Richters hängt noch die graue Staubwolke. Über Kaspers Ecke (fünfarmiger Knoten – d. Red.) steht Qualm. Wir wollen zum Markt, biegen in die Kirchstraße ein. Die ganze Straßenbreite ist übersät mit Glasscherben, die Bürgersteige mit dickem Schaufensterglas. In allen Häusern gähnen scheibenlose Fenster. Wir rennen auf der splitterknirschenden Fahrbahnmitte. An der Kirche klafft ein Loch, Erdklumpen und Pflastersteine erschweren unseren Lauf.
Dann, vorn, an der Ecke Senftenberger Straße Trümmer. In Mommers Schokoladenladen hat es eingeschlagen. Aus dem fast mannshohen Schutthaufen ragt ein Bein. Grüne Hose. Uniformstiefel. Männer versuchen, den Toten herauszuziehen, haben plötzlich den Schenkel in der Hand. Was ich bei diesem Anblick damals fühlte, kann ich nicht beschreiben. Es war eine Art dumpfes Staunen. (…) Überlaut jaulend setzt die Rathaussirene wieder ein.
Irgendwer oder -was treibt uns in die Mittelstraße, in Wäscherei Trunsches Luftschutzraum. Dumpf nur dringt das Dröhnen der Flieger herein. Noch ein paar Einschläge. Im Keller sitzen viele Bekannte. Bäcker Steinbrücks, Fleischer Seidels, Friseur Symoseks, Schuster Pötschkes und andere. Brötchen werden verteilt. Kauend versuchen wir, der Aufregung und der Angst Herr zu werden. Doch meine Speicheldrüsen versagen, lassen den mehligen Klumpen im Mund nicht rutschen.
Helga Müllers Buch ist im Niederlausitzer Verlag erschienen. ISBN: 978-3-935881-59-3. Die Fotos zeigen – oben – die zerstörte Markt-Ostseite (heute Schwarzer Markt) und - unten rechts - die am 19. April 1945 zerstörte Johanneskirche, deren kompletter Wiederaufbau sich bis 1984 hinzog. (red)

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