Virtuelle Liebeserklärung an Hoyerswerda


von Tageblatt-Redaktion

Rico Hofmann lebt und arbeitet in Hoyerswerda. Das Panorama-Projekt ist sein jüngstes Werk.
Rico Hofmann lebt und arbeitet in Hoyerswerda. Das Panorama-Projekt ist sein jüngstes Werk.

Der Blick schweift langsam im Uhrzeigersinn über das Dächermeer der Altstadt. Hoch oben von der Johanneskirche sieht man Hoyerswerda aus einer besonderen Perspektive. Bislang war dieser herrliche Anblick nur wenigen vergönnt, die den nicht ungefährlichen Aufstieg zur kleinen Plattform auf dem Turm wagten. Doch dank der Panorama-Fotos von Rico Hofmann kann sich ab sofort jedermann jederzeit diesen Blick gönnen. Auf dieser Internetseite ist jenes Foto unter "Virtuelle Stadttour" ab heute zu sehen, als eines von 26 Bildern, die es so zuvor noch nicht gegeben hat.
Das Besondere daran: Man kann sich in den Bildern, die wie ein Film wirken, frei bewegen, hinein- und hinauszoomen, die Drehbewegung stoppen oder in die andere Richtung drehen. Und wer genug gesehen hat, der klickt auf einen der blinkenden Pfeile oder auf den Stadtplan oben links und sucht sich einen weiteren Punkt in Hoyerswerda, von dem man sich das Panorama anschauen möchte. So kann man die Altstadt erkunden, sich natürlich Schloss und Markt und die Lange Straße anschauen. Aber auch der Schulplatz und der Bahnhofsvorplatz sind virtuell am Computer erlebbar. Stand jeweils Sommer 2011. Hier und da kann man Informationen über das jeweilige Gebäude abrufen. Alles noch ausbaufähig.
In die Neustadt gelangt man ebenfalls mit einem Mausklick und kann sich hier ebenfalls Panoramen anschauen. Der Blick vom Lausitztower ist imposant, doch auch jedes andere Panorama, egal ob in der Bautzener Allee, vor dem Lausitzbad oder am Jahnstadion aufgenommen, ist es wert, angeschaut zu werden.
Wer den Diplom-Designer Rico Hofmann kennt, der weiß um seinen Hang zur technischen Perfektion. Also kaufte er sich für die Produktion dieses speziellen Stadtrundgangs zu seiner Fotoausrüstung noch einen speziellen Panorama-Kopf für das Stativ dazu, suchte sich die Orte heraus, von denen er Panoramen erstellen wollte, und machte sich an die Arbeit. Jedes Panorama, das man am Computer sieht, besteht in Wirklichkeit aus mindestens sieben einzelnen Aufnahmen, meistens fünf im Rund und je eins nach oben und unten. Zusammengefügt wurden sie mit einem speziellen Programm am Computer. Inklusive Feinarbeit vergehen da schon mal ein paar Stunden bis zum fertigen Bild. Am aufwändigsten war das Panorama vom Kirchturm. An dem arbeitete der 38-Jährige einen Tag lang. Denn hier war es nicht mit wenigen Bildern getan, da von der Plattformmitte des Turms kein ungestörter Rundblick möglich ist, sondern vertikale Streben den Blick versperren. Also mehr Einzelbilder und mehr Arbeit am Rechner, um optische Ungereimtheiten, die zwangsläufig entstehen, auszumerzen. Von diesem Bild sagt Rico Hofmann: „Das vom Kirchturm ist schon nicht schlecht.“ Ein typischer Rico-Hofmann-Satz, der besagt, dass ihm diese konkrete Arbeit gelungen ist. Von „perfekt“ würde er selbst bei seinen Bildern nie sprechen. Andere Leute schon.
In der ganzen Debatte um Panoramen, die im Internet abrufbar sind, hatten Google Streetview und Co hohe Wellen geschlagen. Aber in Deutschland gibt es die Panorama-Freiheit. Sie besagt vereinfacht, dass man solche Bilder von allgemein zugänglichen Plätzen veröffentlichen darf, zumal, wenn sie aus ganz normaler Betrachterhöhe aus angefertigt wurden. Nummernschilder geparkter Autos sind aber auch bei den Panoramen auf hoyerswerdsche.de gepixelt und Passanten unkenntlich gemacht. Voyeuristische Blicke in Schlafzimmer sind selbst mit der Zoom-Funktion nicht möglich. Man betrachtet schöne Stadtansichten und man sieht ihnen an, dass der Fotograf diese Stadt mag.
Aufgewachsen ist er allerdings in Grüngräbchen. Dresden hatte für ihn damals eher eine Bedeutung als Hoyerswerda. Seine Ausbildung zum Industriemechaniker absolvierte Rico Hofmann in Schwarzheide. Nach Hoyerswerda kam er erst 1996 wegen eines Praktikums. Neben seinem Job bei einer Antennenbaufirma hatte er die Fotografie als Hobby für sich entdeckt. Autodidaktisch erarbeitete er sich sein Wissen und Können und fasste den Entschluss, Fotografie nicht als klassisches Handwerk zu erlernen, sie viel mehr zu studieren. Und da es hierfür eines Praktikums bedurfte, landete der angehende Fotograf eben als Praktikant in Hoyerswerda beim TAGEBLATT. Er kündigte dafür seinen Job als Antennenbauer. Und aus dem Praktikum wurde ein Job für vier Jahre. Es waren genau jene Jahre, in denen aus der Schwarz-Weiß-Fotografie in der Tageszeitung die Vierfarb-Aufnahmen wurden und man wenig später vom Negativfilm, der in der redaktionseigenen Dunkelkammer entwickelt wurde, auf die Digitaltechnik umschwenkte.
Seine stille Geradlinigkeit, der Drang nach Wissen und die stete Erweiterung des eigenen Könnens ließen Rico Hofmann nach Dortmund gehen. Jahre später verließ er die Fachhochschule für Kommunikationsdesign als Diplom-Designer in der Fachrichtung Fotografie.
Und nun? „Ich war vorher selbstständig und war es anschließend auch. So viel hatte sich da nicht geändert“, schätzt er heute ein. Seit fünf Jahren lebt und arbeitet er nun wieder freischaffend in der Lausitz. Hier fand er auch sein privates Glück, gründete eine Familie. Und Hoyerswerda, das einst so ferne, ihm durch die Arbeit vertraute, wurde ihm immer wichtiger. Der Umzug von Grüngräbchen hierher hatte vor allem damit zu tun, dass hier viele Freunde leben und die städtischen Strukturen beim Aufziehen von Kindern nunmal ganz praktisch sind. Und nicht zuletzt brauchte der Designer für seine Arbeit eine ordentliche Internetverbindung. Jetzt genießt er es, hier leben und arbeiten zu können: „Die Altstadt ist schon ein richtig schönes Städtchen. Ich habe da einen positiven Blick drauf.“
Mittlerweile besteht nur noch ein Viertel seiner Arbeit aus dem Fotografieren, der große Rest aus der Arbeit am Computer. Er schafft dreidimensionale Ansichten von Objekten und Räumen. So kam er eines Tages auch zur Erstellung von Panoramen, in denen sich der Betrachter frei bewegen kann. Das müsse sich ja auch für eine Stadt machen lassen, sagte sich Rico Hofmann und ging die Kooperation mit hoyerswerdsche.de ein.
Und irgendwie ist es auch eine Liebeserklärung an Hoyerswerda geworden.



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Kommentare zum Artikel:

Büttner schrieb am

Hallo,
habe heute den Artikel in der SZ gelesen und gleich mal ausprobiert.
Ich finde es einfach toll,was der Rico Hofmann mit diesen Panorama Fotos da inszeniert hat.Auch seine positive Einstellung zu unserer Stadt finde ich Super.Bitte weiter so.......

Mit freundlichem Gruß

Bernd Büttner

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