Till Eulenspiegel und 100jaehriger Philosoph


von Tageblatt-Redaktion

Der Autor und sein Objekt, nein, Subjekt - Hans-Dieter Schuett unterm Gundermann-Portraet
Der Autor und sein Objekt, nein, Subjekt - Hans-Dieter Schuett unterm Gundermann-Portraet

Zur Hoyerswerdaer Gundermann-Party, die in diesem Jahr unter dem Motto „Hier bin ich gebor’n“ stand, las Hans-Dieter Schütt aus der „Gutenbergbibel“ für Gundi-Fans – dem Buch „Rockpoet und Baggerfahrer“, seinerzeit im Verlag Schwarzkopf und Schwarzkopf erschienen. Es ist heute eine gefragte Rarität, da die zwei Auflagen beim Verlag restlos vergriffen sind.
Selbst der Hoyerswerdaer Gundermann-Sammlung fehlt die zweite Auflage im Archiv. Schütt findet es schade, dass sein Buch im Internet zu Sammlerpreisen gehandelt wird. „Der Verlag sollte es lieber noch mal auflegen, damit es sich mehr Menschen leisten können“, sagt er. Einen kleinen Trost gibt es indes. Eine Neuauflage des Interview-Teils mit Gundermann erschien 2006 im Dietz-Verlag als kleines blaues Buch „Tankstelle für Verlierer“. Am Sonnabend kam diese Gundi-Bibel auf die KuFa-Kleinkunstbühne.
Schütt, der einst Chefredakteur bei der FDJ-Zeitung „junge welt“ war, wollte nach der Wende eher zuhören als schreiben: „Ich interessierte mich für andere Denkwelten“. So entstand „Rockpoet und Baggerfahrer“, wofür er zwischen 1995 und 1997 Gundi in Hoyerswerda und Berlin interviewte.


Auf dem Bagger 1417


Der Autor las zunächst aus dem Vorwort der zweiten Auflage (erschienen nach Gundermanns Todestag, dem 21. Juni 1998) und gab somit auch denen, die nicht so vertraut mit dem Hoyerswerdaer Rockpoeten sind, einen kurzen Überblick über Leben und Werk des Baggerfahrers und Liedermachers. Zwei Mädchen schreiben eifrig mit: Laura Heduschka und Maria-Susann Klemm, beide aus der 12. Klasse des Friedrich-Engels-Gymnasium Senftenberg sind hier, um Material für ihren Schulvortrag zu sammeln: Im Fach Musik sind derzeit Liedermacher das Thema, und die beiden bekamen den Auftrag, einen dieser Zunft zu porträtieren.Er zitiert aus Interviews. Aus Partei-Dokumenten (der SED). Zeigt Gundermanns Reflektion der DDR und seine Rolle im neuen Deutschland. Man erfährt vom ersten Arbeitstag des Liedermachers im Tagebau, von seiner persönlichen Bindung an Bagger 1417 und von seiner Ankunft in Hoyerswerda.


Von Schnaps und Abschaum


Originalton Gundermann: „Einen größeren Kontrast zu Weimar (1955 Geburtsort Gundermanns) konnte es gar nicht geben. Die Männer von der Steinkohle sagten immer: «Hier kriegt man die Sakima– die Sand-und-Kiefern-Macke.»“. Das Publikum lacht. Schütt lässt nochmals Gundi zu Wort kommen. Dem war eine kritiklose Hoyerswerda-Bewunderung, wie sie ihm mancher angesichts seiner „HoyWoy“-Hymnen zu unterstellen können wähnt, weitestgehend fremd: In einem Schulaufsatz schrieb er über Hoyerswerda, dass er täglich eine Tasse Schnaps brauche, um zu überleben – und dass sich der Abschaum der Menschheit hier träfe ...


„Rockpoet und Baggerfahrer“ zeigt neben Gundis Lebensgeschichte auch die Wandlung einer Gesellschaftsstruktur auf. „Man denkt, der Mann ist schon 100 Jahre alt – bei der Weisheit seiner Texte“, so Schütt zum Philosophen Gundermann, den er als einen sehr fordernden Menschen und als intelligenten Till Eulenspiegel charakterisiert; einen großen Erzähler, der Dinge ausgesprochen hat, die jeden Menschen beschäftigen.


Als Schütt seine erste Begegnung mit Gundermann schildert, wird es ganz heutig: „Ich kannte ihn vorher nicht persönlich. Nur aus Versammlungen der FDJ. Da ist sein Name immer im Zusammenhang mit Querelen aufgetaucht.“ Das (siehe den nachfolgenden Kommentar) ist wohl auch heute noch bisweilen so.

 

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Vielleicht doch
der falsche Patron

Christian Völker über Erklärungsnöte und Bekanntheiten auf vielen Reisen

Heute wäre der Hoyerswerdaer Liedermacher Gerhard Gundermann 56 Jahre alt geworden. Er versorgte die Stadt Hoyerswerda mit Liedern – und durch seinen Beruf als Baggerfahrer letztlich mit Strom und Gas. Seine Lieder machten Hoyerswerda über die Ländergrenzen der DDR hinaus bekannt, und nach der Wiedervereinigung kannten ihn sogar die neuen (respektive: alten) deutschen Bundesländer. Eine öffentliche Ehrung Gundermanns in Hoyerswerda, zum Beispiel durch die Benennung einer Straße nach ihm, fand bis jetzt nicht statt. Ich reise viel. Und immer, wenn ich erzähle, dass ich aus der Stadt komme, in der Konrad Zuse sein Abitur ablegte, muss ich erklären, wer Zuse war (Computer-Erfinder). Erzähle ich aber, dass ich aus der Stadt komme, in der einst Gundi lebte, so verbinden meine Gesprächspartner etwas Bekanntes mit Hoyerswerda. Ähnlich bei Jürgen von Woyski. Auch er ist bekannter als Konrad Zuse. Vielleicht hat sich die Stadt Hoyerswerda doch den falschen Namens-Patron gesucht?; einen „Unbekannten“ aus einer doch recht bekannten Stadt?

Christian Völker ist Mitglied der Jugendredaktion des Hoyerswerdaer TAGEBLATTes



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