Im Liegen durchs Seenland


von Tageblatt-Redaktion

Uwe Schulz hat das Liegeradfahren am Senftenberger See ausprobiert. Das Anfahren ist das Schwierigste, danach stellt sich Fahrspaß ein
Uwe Schulz hat das Liegeradfahren am Senftenberger See ausprobiert. Das Anfahren ist das Schwierigste, danach stellt sich Fahrspaß ein

Es ist über dreißig Jahre her, als das letzte Mal jemand neben mir herlief und das Fahrrad festhielt, damit ich nicht umfalle. Damals war es mein Vater. Da lernte ich auf dem buckeligen Fahrradweg neben der Fernverkehrsstraße am Rand von Hoyerswerda das normale Fahrradfahren. Heute läuft Frank Budich neben mir her und ich lerne Liegeradfahren auf dem ebenen Asphalt neben der Niemtscher Mühle am Senftenberger See. Mich haben ausgefallene Fahrradkonstruktionen schon immer fasziniert. Sie aber selber fahren ist eine andere Sache. Nach wenigen Metern ist klar: Ich habe Angst, mit dem Ding einfach umzukippen. Das Zweirad lenkt nicht dahin, wo ich hinwill, und überhaupt ist es alles andere als lustig, gefühlt einen Meter über dem Asphalt zu liegen und dabei zu trampeln.
Doch Frank Budich hat es nun mal entweder mit Liegerad-Profis oder mit blutigen Anfängern zu tun und rennt also mit letzteren seine Kreise, bis er denkt, dass er sie mit seinen Liegerädern auf die Piste schicken kann. Die kosten immerhin eine Stange Geld. Und ich habe auch noch unterschrieben, dass ich die Reparatur bezahle, wenn ich das Rad kaputt mache. Frank Budich tröstet mit der Erfahrung, dass sich noch keiner der Liegeradfahrer schwer verletzt hat. Prellungen soll es in der Szene schon gegeben haben. Mehr nicht – man kann ja nicht über den Lenker absteigen und die Füße hat man schnell unten. Ja, das habe ich gemerkt.
Also nicht verkrampfen, den Lenker, den man an sich heranziehen kann, nicht zum Festhalten benutzen, Lenken wie beim Motorradfahren vor allem durch In-die-Kurve-Legen. Auf dem glücklicherweise zu morgendlicher Stunde noch völlig leeren Parkplatz bekomme ich die Kurve hin und schließlich die zweite. Eine Acht – na, das geht schon. Doch das Anfahren ist das Schwierigste. Man muss mit voller Kraft in die Pedale treten und mit dem anderen Fuß sofort nachsetzen. Dann geht es los, oder man muss wieder stoppen und noch mal anfangen. Irgendwie steuert man viel aus der Hüftgegend heraus. Kollege Gernot Menzel meint hingegen, dies aus dem Schulterbereich heraus zu tun. Mich, den Gelegenheits-Radfahrer, beruhigt nur, dass er, der Dauer-Rennradfahrer, auch nicht gleich klarkommt. Doch dann lässt uns Frank Budich tatsächlich fahren. Er hat schon ordentlich geschwärmt, wie sich die Laufruhe so ab 30 km/h einstellt und wie entspannt das Fahren auf langen Strecken ist, vor allem gegen den Wind, wenn er lässig Sportler auf normalen Rennrädern überholt. Der 38-jährige Hörlitzer liebt die Liegeräder. Im April vergangenen Jahres hat er sich mit dem Verleih selbstständig gemacht. Vorher hat er 18 Jahre lang Fliesen gelegt. Der dreifache Familienvater lebt seinen Traum und will mal davon leben können. Fahrradverleiher gibt es wie Sand am Meer, doch wer hat schon ein Liegerad?
Der Show-Effekt ist gut. Man merkt es, wenn einem die anderen „normalen“ Radfahrer entgegenkommen: Mancher guckt, als wenn wir vom Mars kämen und grüne Männchen wären. Einige Frauen lächeln sehr angenehm und vor allem Männer haben diesen „Cool-das-will-ich-auch-haben-Blick“ drauf. Ich lächle natürlich cool zurück. Wenn die wüssten, wie ich vorhin geeiert bin, als ich zwischen zwei Pfosten durchfahren musste…
Aber nach und nach stellt sich tatsächlich ein herrliches Gefühl ein. Ich habe mich an die Schaltung und die Bremsen gewöhnt, kann mittlerweile so gut lenken, dass ich niemanden gefährde, und peile über meine Füße und das vordere Kettenrad die Strecke an. Die Liege-position ist echt in Ordnung. Man müsste so zwei, drei Stunden fahren, überlege ich mir. Aber wir haben einfach nicht so viel Zeit. Außerdem ist mir klar, dass ich sowohl auf dem Liegerad als auch auf einem herrkömmlichen Fahrrad garantiert Muskelkater bekäme. Also fahren wir nur ein Drittel des 18 Kilometer langen See-Rundweges und tauschen die Räder. Nun habe ich das Dreirad, das ebenfalls ein Liegerad ist, sitze/liege nur ein paar Zentimeter über dem Asphalt und genieße den narrensicheren Schwerpunkt. Gelenkt wird mit den joystickartigen Griffen, an denen sich auch Bremshebel und Schaltung befinden. Die Liegehaltung ist noch entspannter, das Geschwindigkeitsgefühl noch intensiver. Und ich bekomme eine Ahnung, warum Frank Budich gemahnt hat, dass man es nicht übertreiben und in den Kurven bitte schön an die Fahrphysik denken sollte. Mach ich. Das Tolle ist übrigens nicht nur das Fahren. Das Trike macht auch noch Spaß, als ich anhalte: Ich kann einfach sitzenbleiben. Losfahren ist kinderleicht.
Wir wechseln noch mal die Räder und ich habe erneut Probleme, mit dem zweirädrigen Liegerad in Tritt zu kommen. Nach drei Versuchen klappt es und der Fahrspaß stellt sich wieder ein. In der Stadt, wo ich dauernd anhalten muss, würde ich damit aber nicht fahren wollen. Je entspannter man ist, umso besser läuft das Rad. Also lange Strecken fahren. Liegeradfahren ist eine Philosophie. Es schont den Nacken, Druckstellen sind wahrscheinlich unmöglich. Frank Budich nickt wissend.
Doch Liegerad ist nicht gleich Liegerad. Es gibt sie in den unterschiedlichsten Variationen und Preisklassen. Wer will, der kann das Liegerad seiner Wahl bei Frank Budich auch kaufen. Probefahren kann man ja bei ihm jedes der Modelle. Mancher zahle für mehrere Stunden, dreht eine Runde um den See und sattelt auf das nächste Modell um. Am besten gefällt mir ein gefedertes Trike mit Scheibenbremsen und allem drum und dran. Das sei fernstreckentauglich, sagt Frank Budich. Der Preis ist entsprechend. Ich fahre es mir bei Gelegenheit lieber mal wieder ausleihen, so für ein paar Stunden …



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