Die Vereine sind nicht einverstanden

Hoyerswerda. Es sei, sagt Professor Dr. Harald Lange, durchaus ein menschliches Bedürfnis, Zeichen zu hinterlassen. Man denke nur an eingeritzte Herzchen in Bäumen, Faserstift-Notizen auf öffentlichen Toiletten oder Sprayer-Tags auf Hauswänden, die Leuten außerhalb der Szene nichts sagen. In diese Art der Kommunikation ordnet der Forscher auch die Tätigkeit von Fußball-Freunden ein.
Lange ist an der Universität Würzburg im Institut für Sportwissenschaften Leiter der Fan- und Fußballforschung. Was wir hier in Hoyerswerda erleben – auf einen Energie-Cottbus-Aufkleber wird ein Dynamo-Dresden Aufkleber gepappt, darauf wieder einer von Energie Cottbus, sei ähnlich in jeder Region in Deutschland in vielen Städten seit 20, 30 oder 40 Jahren zu beobachten.
Hier ordne sich fließend auch das ein, was man von Sprayern kennt – wie im Foto die Wand an der Kreuzung Stauffenberg- / Herrmannstraße zeigt. Gesamtgesellschaftlich handele es sich um vergleichsweise wenige Akteure, generell eher um ein Phänomen der Jugendkultur, dass sich meist auswachse, wenn jemand die Mitte seiner Zwanziger erreicht hat.
Grundsätzlich stehe das Bedürfnis, sich der Welt mitzuteilen, im Konflikt mit dem Tun als Ordnungswidrigkeit. Lange rät zu Gelassenheit, wenn nicht Sicherheit oder bauliche Substanz beschädigt werden und die Ästhetik nicht allzu sehr leidet. Denn es sei zu beobachten, das das rigorose Beseitigen dazu führe, dass die jungen Leute sich eher angespornt fühlen.
Die beste Methode sei wahrscheinlich, das Phänomen als unbedeutend einzustufen. Immerhin sind die Verursacher in ihrem „Kampf“ Vereins-Freund gegen Vereins-Freund nicht faul. Denn die meisten verwendeten Aufkleber sind laut Lange selbst gestaltet und selbst hergestellt, stammen also nicht von den Clubs.
Diese sind mit diesem sehr speziellen Tun ihrer Anhänger nicht einverstanden, ergaben Nachfragen in Dresden und Cottbus. Dynamo-Präsident Ronny Rehn sagt, man bedauere derartige Beschädigungen:
Die SG Dynamo Dresden distanziert sich klar von Hinterlassenschaften dieser Art, die nicht mit den Werten des Vereins vereinbar sind. Gleichzeitig lassen sich bei derartigen Sachbeschädigungen die Täter im öffentlichen Raum leider nur schwer ermitteln. Zur Prävention derartiger Fälle arbeitet der Verein gemeinsam mit der Fanszene und dem Fanprojekt an verschiedenen Angeboten. Hierbei werden Anhängern des Vereins sowie Jugendlichen mit angebotenen Freizeitaktivitäten und pädagogischer Betreuung die Grundlagen des sozialen Miteinanders nähergebracht. Damit erreicht man zwar nicht alle, aber besonders bei Jugendlichen ist diese Herangehensweise notwendig.
Energie-Sprecher Stefan Schwarzenberg-Hecht sagt, auch in Cottbus bedauere und verurteile man jede Form von Vandalismus. Man sei allerdings für die zweckentfremdete Nutzung von Aufklebern und Stickern im öffentlichen Raum letztlich nicht verantwortlich:
Wir wissen und freuen uns darüber, dass es in der gesamten Lausitz viele Sympathisanten gibt und auch in Hoyerswerda und Umgebung zahlreiche Energiefans zu Hause sind. Da sowohl das Anbringen von Aufklebern und/oder bemalen von Wänden weder in unserem Auftrag noch mit dem Einverständnis des Vereins geschieht als auch die Aufkleber selbst nicht von uns stammen, macht es die Angelegenheit natürlich schwierig und undurchsichtig. Uns als gemeinnütziger Verein stehen zudem keine behördlichen Mittel zur Täteridentifizierung oder Sanktionierung zur Verfügung.
In regelmäßigen Fandialogen und in enger Zusammenarbeit mit dem Fanprojekt Cottbus sei Energie jedoch daran gelegen, Werte zu vermitteln und eine positive Außendarstellung in jedweder Hinsicht zu erreichen. Dass dieser Ansatz auch Verständnis auf Seiten der Fans erntete, zeige nicht zuletzt ein Statement der „Fanszene Cottbus“:
Liebe Energiefans, wir sind in den meisten Themengebieten sicherlich nicht die große moralische Instanz, aber es gibt ein paar wenige Angelegenheiten, bei denen wir uns alle einig sind (bzw. sein sollten): Das ist neben der Leidenschaft zu unserem Verein und seinen Farben, die wir gern in die Welt hinaustragen, auch die Verbundenheit zu unserer Stadt, Region, dem Land und sonstiger Umgebung der Weltgeschichte, in der wir gerade verkehren.
Aufkleber und rot-weiße Farben gehören für viele einfach dazu, jedoch mit einem gewissen Respekt vor unserer Umwelt, den Mitmenschen und nicht zuletzt auch den finanziellen Ressourcen der Kommunen. Bitte achtet darauf, wo ihr Aufkleber o.Ä. anbringt. Diese gehören einfach nicht auf Verkehrsschilder, Landkarten oder Denkmäler! Dort werden sie in der Regel entfernt, ärgern Mitmenschen und verdecken im Härtefall wichtige Informationen.
Genauso wichtig sei es, verursachten Müll ordentlich zu entsorgen und nicht auf Kosten von Natur und Gemeinschaft liegen zu lassen. Man liebe Verein und Region; daher sei eine gewisse Verantwortung beidem gegenüber auch Minimal-Konsens, so die Fanszene Cottbus. (red)

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