Astro-Grillen mit den DZA-Pionieren

Cunnewitz. Gut 20 Kilometer südlich von Hoyerswerda, dort, wo die Straßen schmal und der Himmel sowie die Felder weit werden, liegt Cunnewitz - oder wie man hier sagt Konjecy. Irgendwie hat die Geschichte des im Aufbau begriffenen Deutschen Zentrums für Astrophysik vor dreieinhalb Jahren hier begonnen. Am Dorfrand starteten Bohrarbeiten, um herauszufinden, ob sich der Granit im Boden für den Bau eines Untergrundlabors zur von Erschütterungen ungestörten Entwicklung präzisester Mess- und Produktionstechnologien eignet. „Wir wollen die Region unter uns verstehen“, sagt Professor Dr. Christian Stegmann, einer der Initiatoren des DZA.

Am Dienstag waren im Hof des Cunnewitzer Vereinshauses Delany Biertischgarnituren aufgebaut. Auf den Tischen lagen unter anderem Postkarten, die Bohrkerne aus knapp 200 Metern Tiefe zeigen. Es gab aber für die anwesenden Kinder auch kleine DZA-Lego-Schächtelchen. Das Großforschungszentrum hatte zum vierten Mal zu einer Informationsveranstaltung mit gemeinsamem Grillen eingeladen. „Am Anfang gab es hier ein bisschen Tumult und Widerstand gegen das Vorhaben, aber das hat sich gelegt“, erzählt ein älterer Herr aus dem etwas weiter südlich gelegenen Örtchen Gränze, der mit seinem Enkel nach Cunnewitz gekommen ist.

Knapp 30 Menschen, die für das oder mit dem DZA arbeiten, sind Teil des spätsommerlichen Bürgerdialogs im Hof des Vereinshauses, darunter der designierte Gründungsdirektor Professor Dr. Günther Hasinger. „Das Team wächst“, sagt Dr. Stefan Ohm, DZA-Leiter für regionale Vernetzung und Wissenschaftskommunikation. Es stellen sich unter anderem vor: Architektin Anne Baldovski, Ur-Görlitzerin, die jetzt in ihrer Heimatstadt den Bau des DZA-Campus verantwortet, die aus Hamburg stammende Lisa Kamlade vom Leitungsbüro oder der Löbauer Dr. Andreas Otto, Leiter der Transformationsforschung.

Mit nach Cunnewitz gekommen ist aber auch Johanna Schurr, die in fließendem Sorbisch zu den Anwesenden spricht. Sie stammt aus Räckelwitz, ist mit 16 mit ihrer Familien nach Baden-Württemberg gegangen und war schon vor zweieinhalb Jahren unter den Ersten, die begannen, beim DZA-Aufbau mitzuhelfen. David Becker vom Institut für Technologieentwicklung ist gleichfalls Räckelwitzer. Sarah Stötzner und Stefan Witzschas von der Öffentlichkeitsarbeit kommen aus Hoyerswerda beziehungsweise aus Lohsa. Und auch Andreas Scholze ist Lohsaer. „Ich beschäftige mich gerade mit der Machbarkeitsstudie für das Low Seismic Lab“, sagt er. So heißt das geplante Untergrundlabor auf Englisch.
Man weiß über den Granit im Untergrund inzwischen deutlich mehr als zu Beginn der ersten Bohrung im kalten Vorfrühling des Jahres 2022. „Er ist sehr hart, das Labor kann also nicht einstürzen. Und er ist sehr dicht, also sehr trocken, weil kein Wasser eindringen kann“, sagt Geophysiker Mike Lindner. Er zeigt auch eines jener Seismometer, die kleinste Bodenerschütterungen registrieren können und die seit Monaten in den Untergrund lauschen. Anhand der Messreihen lässt sich unter anderem minutiös nachvollziehen, wie am Ostersonntag die Pferde aus dem Dorf zur Ralbitzer Prozession aufbrechen.

Mike Lindner erklärt, bei der Suche nach dem exakten Labor-Standort komme es im Wesentlichen auf vier Faktoren an. Da ist die Anbindung, also die Erreichbarkeit. Da sind aber auch seismische Ruhe, Trockenheit und geologische Stabilität. Die inzwischen mehreren Bohrungen haben zum Beispiel Quarzgesteins-Einlagerungen an zwei Stellen erbracht – die Cunnewitzer Störung und die Hosker Störung.
Diese würde man beim Bauen lieber meiden. Bei der Entscheidungsfindung hilft, dass aus früheren Zeiten mehr als 4.000 Altbohrungen dokumentiert sind. Nächstes Ziel ist ein 3-D-Computer-Modell des unterirdischen Granit-Gebirges, das 540 Millionen Jahre auf dem Buckel hat. Die Experten können zum Beispiel schon das Süd-Nord-Gefälle der Granit-Oberfläche nachvollziehen. Unter Cunnewitz stößt man in 60 Metern Tiefe aufs Gestein, unter Hoske erst nach 80 Metern.

Im Getümmel des Cunnewitzer Astro-Grillens sind auch Filmemacherin Grit Lemke und ein Kameramann anzutreffen. Nachdem 2019 ihre Dokumentation „Gundermann Revier“ und 2023 der Film „Bei uns heißt sie Hanka - Pola nas rěka wona Hanka" veröffentlicht wurden, wird nun Material für eine DZA-Doku gesammelt. „Naja, Gundi war die Vergangenheit, Hanka war die Gegenwart und das DZA ist die Zukunft“, fasst Lemke zusammen. Und während ihre Zwei-Personen-Filmcrew auf Sorbisch einen älteren Herrn befragt, hat am Nachbartisch der Enkel des Gastes aus Gränze seinen DZA-Lego-Bau-Satz vollendet. Das Low Seismic Lab hingegen wird noch ein bisschen brauchen.
Mirko Kolodziej

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