Wenn ein Kleingarten verwildert


von Tageblatt-Redaktion

Parzelle 25 in der Sparte „An der Thrune“ sieht eher nach sommerlicher Wiese als nach Kleingarten aus.
Parzelle 25 in der Sparte „An der Thrune“ sieht eher nach sommerlicher Wiese als nach Kleingarten aus.

Von Mirko Kolodziej

Kein Hälmchen Unkraut wächst auf den Wegen der Gartensparte „An der Thrune“ in Hoyerswerdas Westen. Nur vor dem grünen Gartentor der Parzelle Nummer 25 bricht sich das Bahn, was Autor Wladimir Kaminer in seinem Buch „Mein Leben im Schrebergarten“ spöttisch „spontane Vegetation“ nennt. Auch der Garten selbst ist zugewuchert. Beete und Wege sind nicht erkennbar. Als der Verein in seine Gartenordnung schrieb, die Kleingärten seien durch die Pächter „stets in einem ordentlichen Zustand zu halten, sodass die benachbarten Kleingärten nicht durch Unkrautsamen oder dergleichen beeinträchtigt werden“, hatte er wohl anderes im Sinn.

Die allermeisten Menschen, die in den 70 Sparten der Stadtregion einen Kleingarten haben, kümmern sich auch um ihn. Es gibt sogar ältere Leute, die aufgrund eigener Gebrechen andere für die Pflege ihres geliebten Gartens bezahlen. „Die übergroße Mehrheit macht’s mit Freude“, sagt also Reinhard Gleisberg vom hiesigen Verband der Kleingärtner (VKH). Allerdings gebe es eben auch schwarze Schafe und deren Gärten fielen unter den Schmuckstücken besonders auf. „Ich würde behaupten, dass das Problem bei mindestens 95 Prozent unserer Kleingartenvereine besteht“, schätzt VKH-Vorstands-Chef Reinhard Klekar.

An der Thrune ärgert sich der Vereinsvorstand besonders, weil Garten 25 einer Frau gehört, die in der Stadt durch ehrenamtliches Engagement bekannt ist. Im letzten Herbst wandten sich die Kleingärtner sogar an die Stadtratsfraktionen. Als Uwe Blazejczyk (SPD) in der Oktober-Sitzung auf den Hilferuf zu sprechen kam, meinte OB Stefan Skora (CDU): „Ich nehme das zur Kenntnis. Das fällt aber nicht in die Zuständigkeit der Stadtverwaltung, sondern eher in die des Kleingartenvereins.“ Doch was soll man dort tun? Juristisch wäre eine Kündigung denkbar. Aber einen verwilderten Garten neu zu verpachten, ist schwer. Die Beräumung obliegt zwar dem Pächter. Bloß: Was, wenn er nicht mitspielt? An der Thrune hat man das eben mit Garten 75 durch. Die juristische Auseinandersetzung führte zwar zu einer Einigung über die Räumung. Aber es dauerte acht Jahre.

Über die Gründe dafür, dass jemand seine Parzelle verlottern lässt, kann man trefflich spekulieren. Die Pächterin von Garten 25 sagt, sie wolle ihre Privatangelegenheiten öffentlich nicht kommentieren. Hört man sich etwas um, stellt sich aber die Vermutung ein, dass es persönliche Differenzen geben könnte, die ihr das Gärtnern verleiden. Ganz generell, sagt Reinhard Klekar, sind aber eher eine Arbeit in weiter Ferne oder persönliche Überforderung als Gründe für unterlassene Garten-Pflege denkbar: „Manche hatten zunächst sicher auch andere Vorstellungen.“

Wie aus den Gartensparten zu hören ist, machen häufig Menschen mit viel Zeit die meisten Probleme. Langzeitarbeitslose, deren Tagesstrukturen und soziale Kompetenzen gelitten haben, mögen vielleicht lieber feiern oder schlafen, als Radieschen zu verziehen. Reinhard Gleisberg beschreibt die Sache so: Früher, als Kleingärten knapp waren, konnten die Vereine sich ihre Mitglieder gut aussuchen. Heute müssten sie auch darauf bedacht sein, überhaupt Pächter zu finden: „Da werden dann auch Leute akzeptiert, die bei übergroßer Nachfrage durchs Sieb fallen würden.“ Letztlich ist die Frage der Verlotterung also eine des Bevölkerungsrückganges in der Stadt. Das zeigt sich auch an den Preisen, die bei Verkauf eines über Jahre gut gepflegten Gartens noch zu erzielen sind. Das Missverhältnis zwischen Angebot und Nachfrage führt dazu, dass ein Garten im Schnitt für nur 200 bis 600 Euro abgegeben wird. Es gab aber auch schon einen Fall, in dem jemand seinem Nachfolger noch Saatgeld gezahlt hat.

Es müssten also Gärten beseitigt werden. Doch anders als für Wohnhäuser, Straßen oder Wasserleitungen steht dafür kein Fördergeld zur Verfügung. Und auch für jeden Garten, der in einer Anlage dem sogenannten Gemeinschaftseigentum zufällt, will der Verpächter Geld sehen. Also müssen sich weniger Vereinsmitglieder dieselben Kosten teilen und für den Einzelnen wird es teurer. Auch planerisch ist die Sache nicht einfach, denn Grund und Boden haben unterschiedlichste Eigentümer. Der Stadt gehören nur 40 Prozent der Flächen. Und so ist zwar im 2008 vom Stadtrat beschlossenen Konzept „Neue Freiräume für Hoyerswerda“ von einer „schrittweisen Umnutzung von Kleingärten“ zu lesen. Passiert ist seither aber nicht viel.



Zurück

Kommentare zum Artikel:

Franziska Kollenz schrieb am

Oje....Die "verwilderte" Parzelle ist hübsch und wertvoll für Insekten. Vielleicht herrscht ja der Interessentenmangel nur deswegen, weil sich keiner nach rückständig-spießigen 60er-Jahre-Vereinsregeln verhalten will? Ein Prozess ist vorprogrammiert, wenn man zum Wohl der Tierwelt das "Unkraut" versamen lässt? Da werden sich alle ökologisch denkenden Leute abwenden.

Ich freue mich, Grundeigentümerin meiner beiden unkrautreichen, verwilderten Gärten zu sein: Der Ankauf von Günsel, Wiesensalbei&Co in der Gärtnerei war ordentlich teuer, ebenso das Plattmachen der Zierstrauch&Rasen-Ödnis meiner Vorgängerin ...

Einen Kommentar schreiben

Es werden nur jene Kommentare veröffentlicht, die unter Angabe von Vor- und Familienname und einer gültigen E-Mail-Adresse (für Rückfragen) abgegeben wurden.

Bitte rechnen Sie 8 plus 8.