Großbrand mit verheerenden Folgen


von Tageblatt-Redaktion

Gute 16 Jahre hat Peter Krüger an Hoyerswerdas Albert-Schweitzer- Straße gewohnt.
Gute 16 Jahre hat Peter Krüger an Hoyerswerdas Albert-Schweitzer- Straße gewohnt.

Von Mirko Kolodziej

Hoyerswerda im November: Langsam, aber kraftvoll fährt die große Baggerschaufel in den Schutthaufen zwischen Külz- und Schweitzerstraße. Irgendwo in diesem Betonberg liegen auch die Reste jener Wohnung, die Peter Krüger von 1989 bis 2005 bewohnte. Der 52-Jährige wäre hier von allein nicht ausgezogen. Er mochte seine 58 Quadratmeter, hatte die drei Zimmer plus Küche und Bad eigenhändig zu einer Zwei-Raum-Wohnung umfunktioniert. Mit Blick auf den Schuttberg sagt er allerdings: „Das macht mir nicht viel aus. Es ist doch klar, dass man Häuser, die nicht mehr gebraucht werden, abreißt.“

Der Aufgang Albert-Schweitzer-Straße 22, in dem Peter Krüger 16 Jahre zu Hause war, ist aber nicht einfach nur ein weiteres Opfer der Hoyerswerdaer Schrumpfung. Er war seit dem Sommer 2005 nicht mehr bewohnbar, ist in der Stadt als „das Brandhaus“ bekannt gewesen. Im Streit um einen von Amts wegen erzwungenen Umzug hatte hier im Juli 2005 ein Mann seine Wohnung angezündet. Er kam in den Flammen um. „Die meisten Leute im Haus waren natürlich sehr böse auf ihn. Mein Gefühl war eher: «Wie verzweifelt muss er gewesen sein»“, sagt Peter Krüger.

An jenem 5. Juli 2005 hatte es geregnet. Peter Krüger, am frühen Nachmittag nach Hause gekommen, fürchtete eine Erkältung und stieg in die Badewanne. Zuerst hörte er in seinem Bad ungewöhnlichen Krach, Rufen im Treppenhaus. Als nächstes bemerkte er brenzlichen Geruch. „Das hat mich alarmiert.“ Er stieg aus der Wanne, öffnete die Tür zum Flur und stellte fest, dass er voller Dunst war. „Ich habe einen Schreck gekriegt, mich in Windeseile abgetrocknet, angezogen und bin auf den Balkon gegangen.“ Unten an der Külzstraße stand eine Menschentraube, und Peter Krüger schlug heiße Luft entgegen. „Ich schaute nach links und sah Flammen.“

Es begannen die wohl dramatischsten Minuten seines Lebens. „Es war sehr traurig“, schätzt Peter Krüger das Ereignis heute ein. Seine Wohnung war von der Brandwohnung nur wenige Meter entfernt. Auf einem Foto (siehe unten) hängt der Qualm davor. Dennoch verließ er sie nicht. „Ich hatte Angst um mein Hab und Gut“, sagt er und schildert, wie er durch die Wohnung lief und ihm wertvolle Sachen in eine Tasche warf. Es sei ihm immer noch etwas eingefallen. Immer wieder guckte er, was die Flammen machen, die zeitweise sogar aus einem Fenster auf der Hofseite schlugen. Wenn aber die Feuerwehr, die inzwischen eingetroffen war, mit dem Hubsteiger bei ihm vorbei kam, verbarg sich Peter Krüger: „Ich wollte meine Wohnung nicht sich selbst überlassen.“ Nach anderthalb Stunden wandelte der Qualm draußen seine Farbe von Schwarz in Weiß. Das Feuer war besiegt und Peter Krüger ging nach unten.

Hier standen inzwischen neben fassungslosen Nachbarn Sanitätszelte. Es wurden Listen zur Überprüfung der Vollzähligkeit der Hausbewohner angefertigt. Peter Krüger brauchte jetzt einen Kaffee. Er ging also ins damalige Karstadt-Restaurant. „Es war seltsam, denn dort war ja alles wie immer.“ Die Atmosphäre passte nicht zu dem, was er gerade erlebt hatte und was später, nach dem ersten Schock, zu ziemlichem Nervenflattern führte. Die kommende Nacht verbrachten die meisten Hausbewohner aufgrund einer Evakuierung im Achat-Hotel. „Dort sind wir zusammengerückt“, erzählt Peter Krüger über seine damaligen Nachbarn und sich. Hatte man sich früher in der Regel nur gegrüßt, führte man plötzlich Gespräche. Peter Krüger war beeindruckt von der gegenseitigen Solidarität. Am nächsten Tag durften jene Hausbewohner, deren Wohnungen augenscheinlich intakt geblieben waren, zurück.

Nach anderthalb Monaten allerdings klingelte es eines Nachmittags. Techniker hatten berechnet, dass das Feuer die Statik des Elfgeschossers angegriffen hatte, und der Aufgang 22 zog fast komplett ins Congress-Hotel um. Binnen einer Stunde musste gepackt sein, erzählt Peter Krüger: Es folgten quasi Besuchszeiten für das eigene Appartement: „Jeden zweiten Tag wurden für anderthalb Stunden bestimmte Mieter in ihre Wohnungen gelassen.“ Es sollte die Möglichkeit geben, Wäsche oder Bücher zu tauschen. Peter Krüger setzte sich manchmal nur auf sein Sofa und hörte Musik. So nahm er Abschied von seinem Heim. Das Hotel leerte sich. Die Hausbewohner wurden nach und nach mit neuen Wohnungen versorgt.

Peter Krüger war einer der Letzten, zog dann in den WK VIII. Immer, wenn er in den folgenden Jahren Nachbarn traf, waren der Brand und seine Folgen natürlich Gesprächsthemen. Das sei, sagt er, bis heute so. „Nicht mehr so häufig, aber immer noch“, erklärt Peter Krüger. Im kommenden Sommer wird das Ereignis, das auch sein Leben umkrempelte, schließlich schon wieder zehn Jahre her sein.



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