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Eine Frau, eine Stadt - Reimanns Spuren in Hoywoj

Mit der Brigitte-Reimann-Stadtbibliothek steht eine Woche voller Erinnerungen, Literatur und Lebensfreude bevor.


von Angela Donath

Fotos: Mirko Kolodziej

In Hoyerswerda kennt man die Brigitte-Reimann-Straße, die „Große Liegende“ (das Brigitte-Reimann-Zeichen im Park am Lausitz-Center) und natürlich die Brigitte-Reimann-Bibliothek mit dem kleinen Reimann-Kabinett. Jedoch wissen viele gar nicht (mehr), wer Brigitte Reimann eigentlich war. Das beobachtet Maja Kos, seit 2023 Leiterin unserer Brigitte-Reimann-Stadtbibliothek. Bevor die junge Frau ihre Stelle in Hoyerswerda antrat, hatte sie in München gewohnt. Lächelnd gesteht sie heute: „Ich wusste anfangs auch nicht viel. Mein erster Gedanke beim Namen Brigitte Reimann war der an eine ältere Frau, die Bücher geschrieben hat.“

Wer diese Frau wirklich war und welche Bedeutung sie für Hoyerswerda hatte, wurde Maja Kos schnell bewusst. Im Juli 2023 hätte Brigitte Reimann ihren 90. Geburtstag gefeiert. An diesem Tag wurde an der Bibliothek eine Gedenktafel enthüllt. Die Idee dafür kam zunächst vom Sächsischen Landesfrauenrat. Mit dem Projekt „Frauenorte“ schafft dieser an authentischen Plätzen Orte der Erinnerung an ganz besondere Frauen aus Wissenschaft, Politik oder Kunst. Seit 2023 ist unsere Bibliothek ein solcher Frauenort und erinnert an Brigitte Reimann.

Von 1960 bis 1968 lebte sie in Hoyerswerda, im Jahr 1973 war sie in Neubrandenburg viel zu früh verstorben. Zwei ihrer wichtigsten Werke handeln in unserer Stadt: Die Erzählung „Ankunft im Alltag“ entstand 1961 und erzählt vom Aufbau und der Arbeit in Schwarze Pumpe. Das Buch gilt als eines der ersten und prägendsten Werke der sogenannten Ankunftsliteratur und hatte maßgeblichen Einfluss auf die DDR-Literatur der 1960er Jahre.  

Der Roman „Franziska Linkerhand“ erschien in gekürzter Form posthum erst 1974, er beschreibt den Aufbau unserer Neustadt mit allen Träumen, Vorstellungen und vielen Widersprüchen. Beide Werke tragen autobiografische Züge, wobei „Franziska Linkerhand“ besonders stark von Reimanns persönlicher Erfahrung geprägt ist. In beiden wird klar, wie Brigitte Reimanns ursprüngliche Begeisterung für den Aufbau eines neuen Staates oder einer neuen Stadt von der Realität eingeholt wurde.

„Ich war von der Geschichte komplett begeistert“, sagt Maja Kos heute. Schnell wurde ihr klar: Wir wollen hier in Hoyerswerda etwas anbieten, was die Erinnerung an Brigitte Reimann wach hält. Nicht selten kommen Besucher aus vielen Teilen Deutschlands in die Bibliothek und fragen nach Wirkungsstätten der Schriftstellerin. So entstand die Idee einer ganzen Birgitte-Reimann-Woche. Die erste wurde vor zwei Jahren anlässlich der Enthüllung der Gedenktafel und des 90. Geburtstags von Brigitte Reimann erfolgreich durchgeführt. Die des Jahres 2025 steht unmittelbar bevor.

Vom 21. bis 26. Juli wird in Hoyerswerda mit einer Vielzahl von Veranstaltungen an Brigitte Reimann erinnert. Die Mitarbeiter der Bibliothek waren in der Vorbereitung und sind in der Durchführung der Gedenkwoche nicht allein. Große Unterstützung erfahren sie von den Mitgliedern des Freundeskreises für Kunst und Literatur und vom Literaturzentrum Neubrandenburg, das auch das Brigitte-Reiman-Archiv beherbergt. Sehr erfreut ist Maja Kos über eine jüngst abgeschlossene Kooperationsvereinbarung zwischen unserer Bibliothek und dem Aufbauverlag, bei dem die Mehrzahl der Brigitte-Reimann-Werke veröffentlicht wurde. Diese Kooperation wird die Forschungsarbeit erheblich vereinfachen.Bereits jetzt gibt es eine digitale Präsentation zu Leben und Werk der Schriftstellerin, die im kleinen Brigitte-Reimann-Kabinett in der Bibliothek kostenfrei angeschaut werden kann

Am 21. Juli um 18 Uhr sind Interessierte herzlich eingeladen, gemeinsam mit der Bibliothek und dem Freundeskreis die feierliche Eröffnung der Brigitte-Reimann-Woche sowie der Ausstellung zum Leben und Werk der Autorin zu begehen.

Ebenfalls ab dem 21.07. läuft die Mitmachaktion „Kann man in Hoyerswerda küssen?“. Diese gab es schon 2023. Sie wurde sehr gut angenommen und wird in diesem Jahr fortgesetzt. Die titelgebende Frage stellte einst Brigitte Reimann selbst in einem Essay, in dem sie kritisch die Lebensqualität und das Wohlfühlen in dem damals neu entstandenen sozialistischen Hoyerswerda hinterfragte. Die Stadtbibliothek versteht diesen ursprünglichen Kontext, möchte die Frage jedoch heute bewusst positiv neu interpretieren: Gibt es Orte in Hoyerswerda, an denen man sich wohlfühlen und glücklich sein kann?

Mit dieser Mitmachaktion möchte die Bibliothek genau das zeigen und dazu aufrufen, dass Bürgerinnen und Bürger ihre ganz persönlichen Wohlfühlorte auf der „Kuss-Karte“ eintragen – sowohl vor Ort während der Öffnungszeiten als auch online unter dem Link https://demokratie-hy.de/hier-kann-man-kuessen/

Ein Vortrag vom Freundeskreis für Kunst und Literatur erwartet Besuchende am 23.07. um 17 Uhr in der Bibliothek. Der Roman „Franziska Linkerhand“ wird oft auf die Kritik an der Architektur der Stadt Hoyerswerda in den 60er Jahren beschränkt. Doch das ist zu eng gedacht, wissen die Mitglieder des Freundeskreises. Kleine Erzählungen über Reimanns Erlebnisse, darunter Erinnerungen an ihre Großmutter, einen alten Artisten und Geschichten aus der Bibel sind faszinierende poetische Miniaturen, von denen genauso zu hören sein wird wie zu Brigitte Reimanns Bezug zur klassischen Musik.

Der Film „Hunger auf Leben“ wird in der Gedenkwoche gleich mehrfach gezeigt. Er beschreibt einfühlsam das Leben von Brigitte Reimann. Die Handlung basiert auf ihren Tagebüchern. Da die Personenzahl pro Vorführung auf 25 Personen beschränkt ist, wird hier um Anmeldung unter veranstaltung@bibliothek-hy.de gebeten. Vorführungszeiten sind der 22.07., 24.07. und 25.07. jeweils um 11 Uhr und 16 Uhr.



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