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Wenn nötig bis zum letzten Atemzug

Psychoonkologin Joanna Bresan begleitet im Lausitzer Seenland Klinikum Hoyerswerda Krebspatienten und deren Angehörige. An das Leid könne man sich nie gewöhnen, sagt sie. Deshalb sei selbst ein kleines Lächeln so wichtig.


von Miriam Krüger

Fotos: Gernot Menzel

Die Diagnose Krebs ist für die Betroffenen ein Schock. Sie reagieren ganz unterschiedlich darauf. Manche igeln sich ein, wollen die Krankheit mit sich alleine ausmachen. Sie entwickeln Depressionen und müssten deshalb aktiviert werden, erklärt Joanna Bresan. Andere verarbeiten ihr Trauma über die Diagnose in Aggression, wobei das nichts Anderes als der Ausdruck von Angst und Wut sei, sagt sie. Seit zwei Monaten arbeitet die diplomierte Psychologin mit dem Zusatz Psychotherapie im Lausitzer Seenland Klinikum in Hoyerswerda als Psychoonkologin.

Dabei handelt es sich um ein interdisziplinäres Fachgebiet der Psychologie. Die Psychoonkologie begleitet Krebspatienten von der Diagnosestellung bis mitunter zum letzten Atemzug. Dabei werden auch die Angehörigen einbezogen. Nicht selten, so hat Joanna Bresan festgestellt, bedeutet die Erkrankung im Hintergrund „eine Tragödie für die ganze Familie“. Erst recht, wenn Kinder dabei sind. Es gebe aber auch Patienten, die keine Familie haben und sich nach der Schockdiagnose Krebs ziemlich allein gelassen fühlen. Bei alldem unterliegt die Psychoonkologie zum Teil der Stigmatisierung, dass Krebspatienten ohnehin nicht (mehr) zu helfen sei.

In Deutschland hat sich das Fachgebiet seit den 1970er Jahren entwickelt und ist mittlerweile sehr gut besetzt. Die psychoonkologische Begleitung entlastet Angehörige, bereitet sie auf weitere Schritte vor. „Oftmals wissen die Lebenspartner gar nicht, wie sie weiterleben sollen. Und auch die Kinder brauchen Hilfe“, erklärt die 49-Jährige. Die Psychoonkologie fängt die Betroffenen auf.

Die gebürtige Polin studierte in Breslau (Wrocław) fünf Jahre Psychologie und weitere vier Jahre in Posen (Poznań) Psychotherapie. Der Liebe wegen kam sie 2009 nach Hoyerswerda. Ihre erste Stelle bekam sie in der Hämoonkologie in Frankfurt/Oder. Doch das Pendeln belastete die Familie. Deshalb suchte sie nach Alternativen. Sie arbeitete sodann auf einer halben Stelle als Psychologin im Eingliederungsverfahren in Bautzen und war parallel dazu auch im Lausitzer Seenland Klinikum in Hoyerswerda tätig.

Danach betreute sie im onkologischen Zentrum des Krankenhauses in Cottbus Patienten auf der Palliativstation sowie in der Intensivtherapie. Aus dem dort ursprünglich geplanten einen Jahr wurden am Ende fünf, erwuchs allmählich aber auch der Wunsch, sich erneut beruflich zu verändern. Dabei stand für die Mutter dreier Kinder die Frage, ob in Hoyerswerda oder in Bayern, wo sie schon einmal nahezu 20 Jahre lebte.

Mitten in diesen Überlegungen erhielt sie einen Anruf von Juliane Kirfe, der Geschäftsführerin des Seenland Klinikums Hoyerswerda. Das Krankenhaus möchte sich als Brustzentrum zertifizieren lassen, um an Brustkrebs erkrankte Frauen noch besser behandeln und betreuen zu können. Für das interdisziplinäre Team wurde eine Psychologin gebraucht. Joanna Bresan sah darin eine neue Herausforderung. An ihrem ersten Tag im Seenland Klinikum habe sie das Gefühl gehabt, als ob sie nie weg gewesen sei, erzählt sie. Es gehe viel ruhiger zu als in dem großen Krankenhaus in Cottbus, hat sie zudem festgestellt. Dort seien sie mehrere Psychoonkologen gewesen, im Klinikum in Hoyerswerda ist sie die Einzige.

Nach der Aufnahme werden die Frauen mit Brustkrebs durch eine speziell ausgebildete Brustschwester aufgeklärt, das nehme viel Angst. „Es ist wichtig, dass die Frauen den Weg hierher finden und dass man sich von A bis Z um sie kümmert“, betont Joanna Bresan. Vor Corona gab es bereits ein Kosmetik- und Perückenseminar. Dabei wurde den Frauen beispielsweise vermittelt, wie sie sich schminken können, wenn die Augenbrauen weg sind, oder wo sie Ansprechpartner für eine Perücke finden. Ebenso gab es die Möglichkeit, sich untereinander auszutauschen. Dieses Angebot soll jetzt wiederbelebt werden.

Joanna Bresan ist zumeist in der Gynäkologie tätig, schwört auf ihr engagiertes Team dort. Ebenso kümmert sie sich jedoch um Krebspatienten in anderen Bereichen. Sie betreut die Erkrankten solange diese das möchten, bis sie entlassen oder womöglich verstorben sind. Bei Manchen genügt ein Gespräch, Andere möchten jeden Tag reden. Und bei Betroffenen, die nicht mehr sprechen können, sitzt sie dann einfach nur an deren Bett.

Jeder Tag bringe etwas Neues: neue Emotionen, neues Leid, aber auch neues Lächeln. „Man kann sich nicht an das Leid von Menschen gewöhnen. Aber wenn man helfen kann, dass sie dennoch etwas lächeln, dann ist das ein tolles Gefühl“, findet sie. Oder wenn man einer Familie den Abschied erleichtern kann, fügt sie noch hinzu.

Bei der Arbeit als Psychoonkologin bestehe die Gefahr, selber auszubrennen. Joanna Bresan versucht deshalb, die Geschichten aus dem Klinikalltag nicht mit nach Hause zu nehmen. Doch je jünger die Patienten sind, desto schwerer falle ihr das Abschalten. Ihre Familie und die drei Hunde, Ausflüge ins Lausitzer Seenland oder Urlaub an ihrem Lieblingssee in Polen helfen ihr dabei. Beim Blick in die Zukunft meint sie schmunzelnd, dass sie auf Enkelkinder wartet - und womöglich geht sie ja irgendwann zurück in ihre polnische Heimat.



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