Stadt zum Sammeln – Ein Mann, ein Archiv, viele Geschichten

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Man sieht eine Fronleichnamsprozession auf dem Marktplatz, eine Postkarte von etwa 1925.
Urheber: Bruno Homla, Sammlung: Jens Szczepaniak

Wittichenau. Wenn Christoph Hentschel durch alte Postkarten blättert, sieht er mehr als nur verblasste Farben und vergilbtes Papier – er sieht Geschichten, Erinnerungen, Heimat. Seit 2008 sammelt der gebürtige Wittichenauer in seinem „Bild- und Textarchiv Wittichenau“ historische Ansichten seiner Stadt, anfänglich auf Postkarten, später ergänzt durch Fotografien, Karten und Dokumente. Was als Hobby begann, ist längst zu einer Herzensangelegenheit geworden: Die Vergangenheit sichtbar machen, bevor sie in Vergessenheit gerät.

„Ich wollte zeigen, wie Wittichenau einmal ausgesehen hat – und was sich verändert hat“, sagt der heute 36-Jährige. Denn die Stadt hat sich gewandelt, besonders seit den 1990er Jahren. Gebäude verschwanden, Straßenzüge veränderten sich, und mit ihnen auch das Gesicht der Heimat. Videos und private Familienfotos interessieren ihn weniger, Stadtansichten und öffentliches Leben umso mehr. Besonders durch Nachlässe ist wertvolles Material hinzugekommen. Das zusammen getragene Archiv ist ein stiller Zeuge dieser Entwicklungen – und ein Schatz, den er mit anderen teilen möchte. Christoph Hentschel versteht sich dabei als Retter oft vergessener Kostbarkeiten.

Aus Leidenschaft wird ein digitales Gedächtnis

Was sich über Jahre auf seiner Festplatte angesammelt hat, ist mehr als eine Sammlung – es ist ein digitales Gedächtnis der Stadt. Während seines Studiums musste das Projekt kurz pausieren, doch die Begeisterung blieb. Heute investiert Christoph Hentschel viel Zeit und Energie, um zu digitalisieren, zu sichern und zu dokumentieren. Die Website altes-Wittichenau.de ist das sichtbare Ergebnis dieser Arbeit – und ein Fenster in die Vergangenheit.

Man sieht Christoph Hentschel.
Foto: Siegbert Matsch

Mehr als 130 historische Postkarten sind bereits online, viele davon stammen aus der Zeit vor 1945. Besonders berührend sind die Motive, die das wendische Leben zeigen: Hochzeiten in Tracht, Osterreiter, Dorfszenen – Momentaufnahmen, die das kulturelle Erbe der Region lebendig halten. Eine Karte von 1940 erinnert an das 400-jährige Wittichenauer Osterreiten, andere zeigen handschriftliche Grüße, die einst über Generationen hinweg verschickt wurden. Christoph Hentschel besitzt nur wenige Originale, dafür aber hochwertige Scans. Digitale Sicherheitskopien sind selbstverständlich, ebenso wie der respektvolle Umgang mit Urheberrechten und Persönlichkeitsrechten. „Ich achte darauf, ob noch lebende Personen abgebildet sind“, erklärt er. Die Zeit spielt ihm dabei in die Hände – viele Werke sind inzwischen gemeinfrei.

Ein Schatz aus einem Terabyte

Derzeit umfasst das Archiv rund ein Terabyte – darunter das älteste Bild von 1868, das den Straßenzug der Kamenzer Straße zeigt. Was der Hobbyhistoriker sich wünscht, sind Mitstreiter. Menschen, die Material beisteuern, beim Digitalisieren helfen oder einfach Interesse zeigen. „Ich hoffe, dass ich das nicht nur für mich mache“, sagt er. Denn das Archiv soll wachsen – und mit ihm das Bewusstsein für die Geschichte der Stadt. Wer mitmachen möchte, sollte ein zwar wenig technisches Verständnis mitbringen, aber vor allem: Neugier und Freude am Bewahren.

Wer etwas beitragen möchte – sei es Material, Wissen oder Unterstützung – kann sich direkt bei ihm melden unter bta-wittichenau@gmx.de

Siegbert Matsch


				

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